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Eine "neue Ära des Vertrauens"?

Von Paul Kellermann

Gastkommentare

Gastkommentar: In der kurzen Geschichte der Bitcoins lassen sich vier Handlungsmotive unterscheiden, nämlich Bitcoins zu schaffen, mit Bitcoins zu zahlen, zu handeln oder zu spekulieren.


"Bitcoin ist ein moderner Mythos." So begann der Gastkommentar "Eine neue Ära des Vertrauens" von Lena Papasabbas in der "Wiener Zeitung" (15. Dezember). Da unter Mythos allgemein eine Legende ohne Wahrheitsanspruch verstanden wird, sollte man in den folgenden Sätzen eine Aufklärung erwarten dürfen. Dem ist aber nicht so, im Gegenteil: Der Mythos wird kritiklos weitererzählt und sogar behauptet, es entstehe eine neue Art von Vertrauen. Das mag schon so sein, aber diesem Vertrauen liegen Unverständnis oder gar Betrug zugrunde.

In der kurzen Geschichte der Bitcoins lassen sich vier Handlungsmotive unterscheiden: Bitcoins zu schaffen, mit Bitcoins zu zahlen, zu handeln oder zu spekulieren. Bitcoins als virtuelle "Währung" zu erzeugen, ist virtuelle Geldfälschung genauso wie analoge Geldfälschung, weil von den Fälschern keine eigene Gegenleistung zur Verfügung gestellt wird. (Mit Falschgeld wird versucht, Leistungen anderer Menschen in Wirtschaftssystemen zu kaufen, die den jeweiligen gesetzlichen Währungen entsprechen.) Oder soll die Fälschung als Gegenleistung gelten? Die zunächst vorherrschende Zahlfunktion von Bitcoins wird in dem Maße hinfällig, in dem die Preise für Bitcoins schwanken und bisweilen in Fantasiehöhen steigen.

Mit Bitcoins kann drittens (beispielsweise von der österreichischen Post) wie mit einer x-beliebigen Ware kaufmännisch gehandelt werden. Die Spekulation schließlich, rasch Gewinne machen zu können, ist ein Antrieb zugleich für die weitere Spekulation wie für schwankende Preise. Generell können auf der Grundlage von Kryptowährungen deren Erzeuger, Warenanbieter, Makler und Spekulanten nur so lange handeln, so lange kein Zweifel aufkommt, dass die "Währung" Wert behält oder sogar im Wert steigt. Aber diese Regel gilt für jede Art von Geld: Geld ist, was für gültiges Geld gehalten wird. (Das besagt schon die alte Erkenntnis: "Non aes sed fides.")

Gewinn durch Risikoverlagerung

Nun sollte man beachten: Üblicherweise zahlt man mit gesetzlicher Währung. Bitcoins müssen dagegen mit legaler Währung gekauft werden. Wer zu niedrigen Preisen Bitcoins gekauft hat und zu höheren gegen legales Geld verkaufen kann, macht einen Gewinn durch Risikoverlagerung auf den neuen Käufer. Bricht der Handel ein, verlieren die letzten Käufer zumindest an Wert ihres nominellen Bitcoin-Vermögens, wenn nicht sogar das Gesamtvermögen. Und da kommt nun das wachsende finanz- und wirtschaftspolitische Risiko zum Tragen: Sind die spekulativen, nun sehr teuren Bitcoin-Käufe mit Krediten finanziert, können die Kredite wie bei der Immobilienblase in den USA 2007 und in den folgenden Jahren im Falle ihrer massenweise, mangelnden Deckung zu weltweiten Problemen führen.

Hingegen ist es gewissermaßen "nur" ein privates Problem, virtuell bestohlen zu werden oder sein Smartphone beziehungsweise seinen Laptop durch Diebstahl, Einbruch oder anderes zu verlieren, wenn auf diesen die Bitcoins gespeichert waren. Da nutzen auch dem Mythos eigene - eigentlich einander widersprüchliche - behauptete Eigenschaften wie Transparenz und Anonymität nichts.

Entscheidend ist, die mittlerweile mehr als tausend verschiedenen Kryptowährungen von der ihnen zugrunde liegenden Blockchain-Technologie zu unterscheiden. Diese neuartige Technik ist ein vielfach verwendbares Hilfs-, Produktions- oder Kommunikationsmittel wie andere digitale Techniken auch. Sie ist also nicht auf Bitcoins beschränkt.