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Gesundheit im Regierungsprogramm

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Das Kapitel Gesundheit umfasst nur fünf Seiten, dazu noch eine Seite Pflege - aber die Inhalte haben es in sich.


Im Grunde wird eine Fülle von Schlagworten - oder Schlagsätzen - aneinandergereiht. Ob dahinter detailliertere Gedanken oder operationalisierbare Konzepte stehen, bleibt unklar. Zu vermuten ist es, da sich einiges unter mehreren Überschriften des Regierungsprogramms wiederholt - zumindest hoffen sollte man das.

Klar ist, dass es in Bezug auf das Gesundheitswesen in den vergangenen 20 Jahren niemals ein mutigeres Regierungsprogramm gab. Üblicherweise wird ein mutiges Vorhaben im Rahmen der Verhandlungen derart entstellt, dass das, was übrig bleibt, eine gut klingende Anleitung zum Waschen ohne Nasswerden ist. Nicht diesmal.

Da ist einmal die Idee, die 22 Sozialversicherungen (also nicht nur Kassen) zu fünf zu fusionieren - ein echter Tabubruch. Zwar wird festgehalten, dass das alles nur gemeinsam mit den Ländern und unter Wahrung der partizipativen Selbstverwaltung passieren soll - alleine, dass es da steht, ist für einen langjährigen Beobachter aber atemberaubend.

Betrachtet man zudem, dass dezidiert festgehalten wird, dass es künftig statt föderaler Ärzte-Gesamtverträge nur mehr österreichweite und zudem flexiblere Kassenverträge (die regionale Zu- und Abschläge erlauben) geben soll, will man der Regierung Reformwillen abkaufen. Niemand stellt so etwas vor, wenn er es nicht umsetzen will, ist doch der politische Schaden passiert, sobald man es ankündigt.

Die Idee der Entlastung des spitalsambulanten Bereichs ist nicht neu. Auch nicht, dass es zu einer Anpassung der Finanzierungsströme (Geld folgt Leistung; ambulante und niedergelassene Finanzierung) kommen muss. Nimmt sich die Regierung ernst, wird sie endlich Gesetze verabschieden, die einen sinnvollen Geldfluss zwischen diesen beiden Welten ermöglichen - 20 Jahre nach dem Erkennen des Problems der dualen Finanzierung der ambulanten ärztlichen Versorgung (steuerfinanzierte Spitalsambulanzen und kassenfinanzierte Vertragsärzte). Beeindruckend.

Und schließlich findet man noch etwas: Die Finanzierung von Gesundheit, Vorsorge und Pflege muss gesamtheitlich betrachtet werden. Bis dato wurde immer nur bis zur Pflege gedacht und peinlich genau darauf geachtet, dass Pflege im Sozialsystem vom Gesundheitssystem getrennt blieb. Diese Schnittstelle wird aufgeweicht, indem das Geldleistungsprinzip der Pflege durch Gewährung von Sachleistungen komplementiert werden soll. Die "Bemühungen zur Festigung der Gesundheit und der Prävention für Pflegebedürftige, um eine Stabilisierung beziehungsweise eine Verbesserung ihrer Situation zu erreichen" - so im Regierungsprogramm - würden erheblich erleichtert.

Ob das alles kommt oder am Ende doch nur Show ist wie die meisten Regierungsprogramme, werden wir bald erkennen können. Denn so revolutionär das alles klingt, in der Umsetzung wird es wesentlich davon abhängen, wer welche Vetorechte erhält. Wenn, wie in der Vergangenheit üblich, Ländern, Kassen und Kammern großzügige Vetorechte eingeräumt werden oder in Gremien immer nur ein Einstimmigkeitsprinzip eingeführt wird, dann wird alles - wie immer - in der Ankündigung stecken bleiben.