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Die Reinwaschung der FPÖ

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Die Koalition auf der Suche nach ihrem Persilschein.


Unmittelbar nach der Angelobung kam gleich die Beschwichtigungstournee. Denn nichts anderes war der abrupte Aufbruch des frischgebackenen Kanzlers, der mit wehenden Frackschößen zum Antrittsbesuch nach Brüssel eilte. Noch vor seinem Antritt im Parlament. Die Fahrt nach Brüssel war Teil einer diplomatischen Offensive, um die politische Welt zu beruhigen. Denn sie ist beunruhigt, die Außenwelt.

Anders als die Innenwelt, das Inland, das kollektiv sediert zu sein scheint - eingelullt vom neuen österreichischen Mantra: der ständigen Versicherung eines neuen Einvernehmens, einer neuen Atmosphäre, eines neuen Umgangs, eines neuen Regierens.

Außerhalb dieser Hypnoseglocke ist der Blick auf Türkis-Blau deutlich skeptischer. International gibt es Sorge in Bezug auf dieses neue Österreich mit Freiheitlichen in der Regierung. Auch wenn wir es zu vergessen scheinen - für den Außenblick ist die FPÖ nach wie vor keine normale Partei. Argwöhnisch beobachtet wird sie in doppelter Hinsicht: wegen ihrer Haltung zu Europa und wegen ihres ungeklärten Bezugs zum Nationalsozialismus. Deshalb die Kurz’sche diplomatische Offensive.

Deren erster Teil war eben - Brüssel. Hier beeilte sich Kurz zu beteuern, zu wiederholen, zu versichern, zu betonen. Hier stimmte er sie an - die europäische Tonalität. Kurz hat in Brüssel gewissermaßen die Bürgschaft für die Freiheitlichen übernommen. Ein Balanceakt mit doppeltem Gewinn. Wenn er sich mit seiner Bürgschaft dafür starkmacht, dass Europa, dass die Union die FPÖ akzeptiert, dann schützt und stabilisiert er damit seine Koalition. Die Akzeptanz der FPÖ nützt also ihm und der ÖVP. Und zugleich schreibt er damit die Hierarchie innerhalb der Koalition noch mal fest. In aller Freundschaft und Harmonie. So nützt die Akzeptanz der FPÖ der ÖVP ein zweites Mal.

Dem zweiten heiklen Punkt widmete Kurz sich umgehend danach - dem Bezug der FPÖ zur Vergangenheit. Da ist einmal die Hinwendung zu Benjamin Netanjahu, der Israels Skepsis und Vorbehalte gegen FPÖ Minister deutlich gemacht hat. Aber auch das größte Einvernehmen hilft da nicht weiter: Denn Netanjahu ist nicht der Papst der Juden, sondern nur der Ministerpräsident Israels. Seine Zustimmung ist kein Sündenerlass. Er kann der neuen Koalition keine Absolution erteilen. Die Kurzsche Koalition bedarf deshalb noch einer weiteren Schützenhilfe - jener der Juden. Denn nichts und niemand kann die FPÖ weißer waschen. Also beeilt man sich, einhellig den Antisemitismus abzulehnen. Als ob es keinen in den eigenen Reihen gäbe - bei der FPÖ, aber auch bei der ÖVP. (Man erinnere sich nur an den AG-Skandal am Juridicum.) Aber da hat man ja jetzt ein williges jüdisches Feigenblatt zur Abdeckung aller diesbezüglichen Regierungsblößen.

Kritik am Antisemitismus ist heute billig zu haben - bei den paar Juden, die es nach "Lösung der Judenfrage" in Österreich noch gibt. Zugleich aber bietet die Ablehnung des Antisemitismus auch noch einen unschätzbaren Mehrwert: Man kann ihn - als "importierten Antisemitismus" - gegen die Moslems verwenden. Daran zeigt sich: Noch die Kritik am Antisemitismus dient einem Rassismus - einem neuen Rassismus.