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Eine kleine französisch-österreichische Achse für Europa?

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.

Vorschläge für die Neuausrichtung der EU liegen auf dem Tisch - konkrete Taten sollten folgen.


Das Tempo ist hoch - und das ist gut so. Nach seinem ersten Besuch in Brüssel war Bundeskanzler Sebastian Kurz nun in Paris beim französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zu Gast. Eine Berlin-Reise folgt demnächst. Macron und Kurz haben sich vorgenommen, Europa zu verändern, wobei ihre Integrationsvorstellungen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede aufweisen. Bei Migration, Verteidigung, Grenzsicherung, Bürokratieabbau, Besteuerung multilateraler Konzerne und Einsetzung nationaler Konvente, um Zukunftsfragen zu diskutieren, scheint man auf einer Linie. Migration und Sicherheit sind auch in der öffentlichen Wahrnehmung die derzeit wichtigsten Herausforderungen für Europa. Bei den Themen soziales Europa und EU-Budget jedoch klaffen die Meinungen zwischen Paris und Wien noch deutlich auseinander.

Macron suggeriert Aufbruchsstimmung, indem er seine Visionen für ein neues europäisches Zeitalter präsentiert. Er spricht über die Vorzüge geteilter Souveränität und plädiert für stärker differenzierte Integrationsgeschwindigkeiten und die Aufwertung des Euroraums. Europas Bürger sollen geschützt und unfairer Wettbewerb, Lohn- und Sozialdumping bekämpft werden. Seine Vorschläge harren einer Antwort aus Deutschland, das derzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt ist. Wobei CDU/CSU und SPD immerhin schon erklärt haben, für einen europäischen Haushalt mehr Geld zur Verfügung zu stellen.

Im Vergleich zu Macron hat Kurz weniger innenpolitischen Spielraum und verortet Möglichkeiten für eine Vertiefung Europas insbesondere in den Bereichen Migration und Verteidigung. Sein Integrationsansatz ist bisher jedenfalls defensiver angelegt, wenn er das Prinzip der Subsidiarität forciert, Einsparungen im Zuge des Brexit betont und den Zugang zu Sozialleistungen neu ordnen möchte.

Wer Europa von Grund auf erneuern möchte, erweckt jedenfalls hohe Erwartungen und muss letztlich auch liefern. Für Macron ist dabei der - derzeit auf Stand-by geschaltete - deutsch-französische Integrationsmotor die nach wie vor wichtigste strategische Achse. Aber sie ist nicht die einzige Allianz, die es brauchen wird. Die Gruppe der südeuropäischen EU-Länder, allesamt Teil des Euroraums, sind, das bestätigen die Schlussfolgerungen des aktuellen Gipfeltreffens, bereits miteinander abgestimmt und bei den großen Reformvorhaben ganz auf französischer Linie.

Um mit Zentral- und Osteuropa im Gespräch zu bleiben, setzt Macron vor allem auf Österreich. Ohne die Einbindung dieser - in sich wiederum heterogenen - Ländergruppe könnte sich die EU nicht nur in unterschiedlichen Integrationsgeschwindigkeiten, sondern letztlich auch in verschiedene Integrationsrichtungen weiterentwickeln. Seit er im August im Rahmen der Salzburger Festspiele mit dem damaligen Kanzler Christian Kern auch die Premiers Tschechiens und der Slowakei getroffen hat, schätzt Macron das Potenzial der auch von Kurz betonten Brückenfunktion Österreichs. Ob es jedoch mit seiner restriktiven Haltung - nicht zuletzt in Sachen Familienbeihilfe - diese Rolle tatsächlich spielen wird können, bleibt offen.