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Im Würgegriff der Finanzeliten

Von Gerhard Kohlmaier

Gastkommentare

Gastkommentar: Griechenlands Rating wurde hinaufgestuft - das ändert aber nichts an der prekären Lage der Bevölkerung.


Die US-Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hat vor kurzem die Kreditwürdigkeit Griechenland um eine Stufe hinaufgesetzt (von B- auf B), weil sich die Aussichten auf wirtschaftliches Wachstum verbessert hätten. Schön, wird sich so mancher denken, endlich geht es aufwärts mit dem krisengeschüttelten Land.

Mitnichten. S&P gibt mit dieser Hinaufstufung ein Signal, dass Ausfallrisiken für Kredite im Falle Griechenlands eine Spur geringer geworden sind. Durch die bisherigen Hilfspakete von einzelnen Staaten, ESM, EFSF und IWF erhielt das Land seit 2010 fast 260 Milliarden Euro. Ungeachtet der Tatsache, dass große Teile der griechischen Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg ein äußerst eigenartiges Verhältnis zu ihrem Staat hatten, den sie auf ihre Weise zu ihrem eigenen Vorteil ausplünderten, sich solcherart auch durchaus an ihm bereichert haben und der Ruf nach eben diesem Staat nun mitunter auch merkwürdig erscheinen mag, waren und sind es die politischen Eliten dieses Staates, die die Weichen so gestellt haben und stellen, dass es in erster Linie den Finanzeliten zugutekommt.

So floss der Großteil der Milliarden an Hilfsgeldern zwar nach Griechenland, um dann sogleich wieder den Weg ins Ausland anzutreten, um Gläubigerforderungen zu erfüllen. Die Schulden wurden also nur umverteilt - von privaten Gläubigern wie Banken hin zu Staaten und Steuerzahlern. Der griechische Staatshaushalt konnte höchstens von 5 Prozent der genannten Summe profitieren, und das auch nur, damit die staatlichen Rahmenbedingungen erhalten bleiben. Für die ehemaligen Gläubiger und zukünftigen Finanzoligarchen ist die Hinaufstufung ein erstes Signal, ihre "Griechenland-Zockerei" wieder fortzusetzen, denn sie bedeutet im Wesentlichen nur, dass das Land wieder leichter an Kredite kommen wird und so die Verschuldung fortsetzen kann.

Die nächsten Einschnitte

Die soziale Situation im Land ist erschreckend: Die Armutsquote hat sich seit 2008 verdoppelt, wobei es an Verhöhnung der Menschen grenzt, dass als arm nur jemand eingestuft wird, der weniger als 176 Euro im Monat zur Verfügung hat; Pensionen und Löhne wurden so drastisch gekürzt, dass sie nicht mehr zum Leben reichen; die Gesundheitsversorgung ist in vielen Teilen des Landes nicht gesichert; die Arbeitslosenrate ist die höchste in der EU. Nach zahlreichen Privatisierungen und sozialen Einschnitten für die Menschen im Land beschloss die Regierung unter Premier Alexis Tsipras am Jahresende die nächsten Einschnitte, unter anderem wiederum bei den Pensionen, aber auch die Streikrechte von Gewerkschaften wurden beschnitten.

Große Teile der staatlichen griechischen Infrastruktur sind inzwischen privatisiert. Die deutsche Fraport AG betreibt 15 griechische Flughäfen, darunter Thessaloniki, Kreta und Santorini. Airports, die keine Profite abwerfen, wurden nicht übernommen. Die Verträge sind jedoch so gehalten, dass sie die Risiken beim griechischen Staat belassen, die Profite jedoch der Fraport AG zustehen. Das deutsche Unternehmen zahlt weder Steuern noch Wasserabgaben, in Zukunft steigende Strom- und Telekommunikationsgebühren berappt ebenfalls der griechische Steuerzahler.

Der Hafen von Piräus wurde an den chinesischen Cosco-Konzern verkauft, der Hafen von Thessaloniki ging an einen Hedgefonds in München und den russischen Oligarchen Ivan Savvidis.

Die Schulden bleiben im Land

Die griechische Staatsbahn wurde zum Spottpreis von 45 Millionen Euro an die italienische Bahn verkauft, ihre Schulden in Höhe von 692 Millionen verblieben den griechischen Steuerzahlern.

Das staatliche Glücksspielunternehmen Opap ging zu 67 Prozent an einen tschechischen Eigentümer, die restlichen 33 Prozent bekam ein privater griechischer Reeder, wobei der Erlös des Verkaufs nur 1,5 Prozent des vorherigen Gewinns betrug.

Vier der wichtigsten Kraftwerke der Elektrizitätsgesellschaft DEI sollen noch 2018 privatisiert werden, auch die Metro in Athen, die Gaswerke sowie die Wasserversorgung für Athen und Thessaloniki sind weitere Privatisierungsobjekte.

Zusätzlich kam und kommt es zu einem regelrechten Ausverkauf von Immobilien und für die Zukunft lukrativen Grundstücken in Griechenland durch ausländische Investoren.

Der griechische Staat hat gewichtige Teile seiner Einnahmequellen verloren, er hat sie einem nach Rendite schielenden Finanzkapital preisgegeben und sich mit Hilfe seiner politischen Repräsentanten in dessen Abhängigkeit begeben. Er hat die Zukunft verspielt, statt sie - in einer zugegebenermaßen heiklen Gegenwart - neu zu gestalten.

Ein Spekulationskreislauf

Nun stufen die Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit des Landes wieder hinauf, denn es ist noch nicht genug ausgebeutet, an ihm lässt sich noch verdienen. Doch man kann nur Geld verdienen, wo auch Geld ist. Und die griechische Bevölkerung ist nicht mehr kaufkräftig. Da muss man nachhelfen, indem man die neuerliche Verschuldung des Staats erleichtert. Nichts anderes bedeutet die Hinaufstufung durch die Ratingagenturen. Sie ist ein Signal dafür, dass der Spekulationskreislauf nun wieder fortgesetzt werden kann. Dass sich dadurch der Großteil der Bevölkerung in weitere Abhängigkeiten begeben wird, spielt dabei keine Rolle.

Auf diese Weise lässt der Würgegriff des Finanzkapitals zwar scheinbar nach, doch der Strick wird nur kurzfristig gelockert, um ihn im Bedarfsfall wieder anzuziehen. Dann geht der soziale Niedergang der Mehrheit der Bevölkerung weiter. Wäre es nicht besser für Griechenlands Zukunft gewesen, zur Drachme zurückzukehren und eine systemische Veränderung im Staatswesen zu erwirken, die die Grundlage für eine Neuausrichtung von Staat und Wirtschaft hätte sein können?

Das frage ich mich nicht nur im Fall Griechenlands. Mit solchen systemischen Fragen sollten auch wir uns auseinandersetzen, denn wir haben allen Grund dazu: drohende neuerliche Finanzkrisen, ökologische Katastrophen, ein sich zuspitzendes Ringen um die letzten Ressourcen dieser Erde, vor allem um Wasser, Kriegsgefahren praktisch in allen Teilen der Welt. Wenn das nicht Gründe genug sind, was dann?

Gerhard Kohlmaier ist in der Steuerinitiative des ÖGB aktiv (www.steuerini.at).