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Bruchlandung und Höhenflug

Von Heinz Kienzl

Gastkommentare
Heinz Kienzl war Generaldirektor der Nationalbank. Er ist Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. Foto: Alexander Wulz

Österreichs Weg durch 100 Jahre Republik aus ökonomischer Perspektive.


Wenn wir die 100 Jahre unserer Republik betrachten, dann war das erste Drittel ein wahres Elend. Der Krieg hatte unter anderem eine Inflation hinterlassen, ein Bargeldschnitt machte die Bargeldbesitzer arm. Aus 1000 Kronen wurden 10 Groschen. Die Arbeitnehmer bekamen am Wochenende ihren Lohn in einem Sack, und als sie nach Hause kamen, war das Geld schon nichts mehr wert. Die Inflation hatte die Gesellschaft total zerrüttet.

Das zweite Problem war ein Leistungsbilanzdefizit: Österreich brachte nicht genügend Exporte zustande, um selbst die dringendsten Importe, zum Beispiel von Kohle, zu bezahlen. Eine Auslandsanleihe, vom Völkerbund garantiert, half kurzfristig - langfristig hatte sie aber katastrophale Folgen, denn das oktroyierte Zinsniveau war so hoch, dass Investitionen, zum Beispiel beim Ausbau der Wasserkraft, unmöglich wurden.

Die Arbeitslosigkeit war mit fast einem Drittel des Arbeitskräftepotenzials unerträglich hoch, und die Weltwirtschaftskrise von 1931 verschlechterte die Lage dramatisch. Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers in Deutschland kam noch ein Wirtschaftskrieg des Dritten Reichs dazu, die Tausend-Mark-Sperre ist heute noch bekannt. Weniger bekannt ist aber, dass die deutschen Wirtschaftsführer den Wunsch der NSDAP, "keine Geschäfte mit österreichischen Firmen" zu machen, mit vorauseilendem Gehorsam erfüllten.

Politisch war das Land von Anfang an gespalten, den Krieg hatten ja die heimischen Eliten, Aristokraten und Offiziere, begonnen und die Männer auf die Schlachtfelder geschickt. Das hat ihnen das Proletariat nie verziehen.

Aufschwung nach dem Krieg

Im zweiten Drittel der Republik war die politische Situation dann in einem Punkt sehr verschieden: Nicht die eigene politische Führung hatte die Männer auf die Schlachtfelder geschickt, sondern Hitler und seine Verbrecherbande. In der Ersten Republik war das Volk orientierungslos gewesen, keiner wollte den Staat, den die Alliierten geschaffen hatten. Es war aber nicht nur Österreich von Krisen und Katastrophen geschüttelt, sondern ganz Europa.

In der Nachkriegszeit gab es bald einen Aufschwung in ganz Europa, wofür nicht nur der Marshall-Plan die Grundlage schuf, sondern auch die US-Hegemonie auf kulturellem, politischem und militärischem Gebiet eine entscheidende Rolle spielte. Für Österreich gab es in der Zweiten Republik - im Gegensatz zur Ersten Republik - zwei hervorragende Ziele: erstens den Staatsvertrag und zweitens das Ende der vierfachen Besatzung.

Es gelang mit den Lohn- und Preisabkommen, die Inflation einigermaßen unter Kontrolle zu halten. 1953 startete die Stabilisierungs- und Wachstumsaktion, bekannt als Raab-Kamitz-Kurs, unterstützt durch die zwei großen Aktionen des Marshall-Planes, Maschinen und Rohstofflieferungen in Milliardenhöhe, wurde der Aufbau der Industrie möglich.

OECD, EU und Eurozone

Durch die Öffnung der Märkte in Westeuropa durch die OECD konnte ein großer Exportmarkt für Österreich geöffnet werden. Das ermöglichte einen Wiederaufbau weit über das seinerzeitige Niveau hinaus. Die Arbeitslosigkeit, die anfangs noch recht hoch war, konnte reduziert werden, und in den 1960er Jahren erreichte Österreich sogar die Vollbeschäftigung. Der Weg in die goldenen 1970er und 1980er Jahre war damit gebahnt.

Die erfolgreiche Währungspolitik, gepaart mit der erfolgreichen Politik einer ausgeglichenen Leistungsbilanz und einer niedrigen Inflationsrate, machte Österreich zu einem gern gesehenen Mitglied der Europäischen Union und der Europäischen Währungsgemeinschaft.

Die Schaffung des Euro stieß allerdings nicht auf große Begeisterung in den USA, denn damit war die Monopolstellung des Dollars beendet. Sie war schon ein erster Schritt einer Abnabelung Europas vom Hegemon USA.

Wie wichtig das war, haben manche noch nicht erkannt. Das "Amerikanische Jahrhundert" ist mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten zu Ende gegangen. Europa muss lernen, auf eigenen Füßen zu stehen, um im globalen Wettbewerb wirtschaftlich, aber auch politisch bestehen zu können.