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Deutsch-Tun statt Deutsch-dumm

Von Ernst Smole

Gastkommentare
Ernst Smole ist Musikerzieher, Dirigent und Unternehmer im Bildungs- und Tourismusbereich. Er leitete bis 2010 die als Inklusionsschule geführte Johannes Brahms Musikschule der Stadt Mürzzuschlag. Bis 2006 war er auch Co-Geschäftsführer des Kunsthauses Mürzzuschlag und koordiniert ein rund 50-köpfiges multidisziplinären Team zum "Unterrichts:Sozial:Arbeits- und Strukturplan für Österreich 2015 - 2030" (www.ifkbw-nhf.at). Foto: privat

Es gibt altbekannte und höchst erfolgreiche Wege des Spracherwerbs. Warum werden diese Lehrmethoden in Österreich bisher ignoriert?


So wie jedes Einwanderungsland legt auch Israel Wert darauf, dass Zuwanderer die Umgangssprache Hebräisch beherrschen. Die Sprachkurse werden primär von privaten Instituten angeboten. Diese stehen im Wettbewerb zueinander, es gibt Awards für die erfolgreichsten Anbieter. Eines der prämierten Institute verzichtet auf Räume - keine Klassen, keine Büros. Die Schüler werden per SMS koordiniert und treffen sich zum Unterricht etwa auf Lebensmittelmärkten. Man lernt die hebräischen Namen der Nahrungsmittel, schnuppert an ihnen, kostet. Das Lernen à la "Knoblauch heißt Schum! Manchmal muss ich den Knoblauch in die Speise hinein SCHUMmeln, denn mein Partner mag Knoblauch gar nicht - ist das lustig!" nennt sich im Fachjargon "kognitiv-emotional assoziatives Lernen" und ist die urtümlichste, unkomplizierteste, fröhlichste, zeitsparendste, kostengünstigste und nachhaltigste Art des Lernens.

Das kognitive Wissen um den hebräischen Begriff und das zeitgleiche emotionale "Erfahren" des Nahrungsmittels durch Riechen, Schmecken und Berühren (Haptik) stützen einander. Die selbstgefundene fröhliche Eselsbrücke ("SCHUMmeln" - Erfolgserlebnis, Glückshormone sprudeln) gräbt den hebräischen Begriff nachhaltig in die "emotionale" Erinnerung ein. Dieses Lernen ist Jahrtausende alt und tief in uns verankert.

Aus einem polytechnischen Lehrgang speziell für neu zugewanderte 14-Jährige in Österreich war dazu zu hören: "Wir pfeifen auf den offiziellen Lehrplan. Deutsch lernen wir durch Tun - in sensationell kurzer Zeit. An unserer Schule gibt es laufend Kochen, Tischlern, Designen, Malen, Zeichnen, Naturforschen - wir tun Deutsch. Deutschkurse à la erster, zweiter, dritter, vierter Fall, das Auswendiglernen der richtigen Artikel etc. bezeichnen wir als ‚Deutsch-dumm‘."

Das Sprachenlernen durch Tun ist für jede Altersgruppe ideal. Kleine Kinder lernen ausschließlich auf diese Weise, zumindest so lange, bis ihnen irregeleitete Erwachsene - mit Recht ist der Begriff "Experte" heute teils ein Schimpfwort - dies abgewöhnen: mit gut gemeinter, aber ungeschickter Kleinkindtesteritis, Einteilungswahn, Säuglingskompetenzhuberei, Erwachsenenwichtigtuerei, Irreführung per Windelkinderbildungskompass . . .

Gottlob gestattet die neue Bundesregierung den "Deutsch-Förderungskindern", zumindest in den scheinbar "unwichtigen" Fächern wie Werken, Musik, Kunst und Turnen das Zusammensein mit allen Kindern. Wenn in diesen gemeinsamen Stunden fantasievolle und orientierte Lehrer am Werk sind, werden die Kinder in diesen wenigen gemeinsamen "Tun-Stunden" weit rascher und besser Deutsch lernen als in den geplanten 20 Wochenstunden isoliertem Deutschunterricht, die angesichts der genannten, wissenschaftlich vielfach belegten Fakten eine gut gemeinte, aber nicht zu verantwortende Verschwendung von Zeit, Geld, Energie und Motivation darstellen.

Und die zahlreichen heimischen Universitätsinstitute, die sich hochprofessionell und auf "Exzellenzniveau" (laut Eigendefinition) mit Sprachwissenschaft und -vermittlung befassen? Ist da jemand?