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Der freiwillige Verlust einer Positionierung

Von Stefan Brocza

Gastkommentare
Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen.

Der Verzicht auf die Bezeichnung "Mostviertler Birnmost" illustriert, wie Österreich Gefahr läuft, den internationalen Run auf geografische Ursprungsbezeichnungen zu verschlafen.


Der Schutz geografischer Angaben gehört mit mehr als 3300 namentlich eingetragenen EU-Erzeugnissen zu den großen Erfolgsgeschichten der europäischen Landwirtschaft. Dazu kommen noch rund 1250 Erzeugnisse aus Drittländern, meist durch bilaterale Abkommen geschützt. Wertmäßig bringt es der Markt für EU-Erzeugnisse mit geografischen Angaben auf jährlich mehr als 54 Milliarden Euro Umsatz (15 Prozent der Gesamtausfuhren der EU an Lebensmitteln und Getränken). Immer mehr Akteure und immer mehr Produkte suchen Schutz unter dem wachsenden EU-Markengeflecht. Umso überraschender ist es, dass Österreich - mit seinem Selbstbild eines "Feinkostladens Europas" - diese Entwicklung verschläft, oder - wie im freiwilligen Verzicht auf die Marke "Mostviertler Birnmost" - gar aktiv ignoriert.

Das bestehende EU-System hebt die Qualität und den Traditionsreichtum registrierter Erzeugnisse hervor und gewährleistet, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher darauf verlassen können, dass es sich um Originalerzeugnisse und nicht um Imitationen handelt, die vom guten Ruf des Originals profitieren.

Bis vor kurzem fielen in Österreich 17 Produkte darunter. Von der bekannten Wachauer Marille über das Steirische Kürbiskernöl, bis hin zu Marchfeldspargel, Tiroler Speck oder Steirischem Kren. Und eben auch den Mostviertler Birnmost gab es als geschützte geografische Angabe (g.g.A.), deren Qualität oder Ruf mit dem Ort oder der Region verbunden ist, in der sie erzeugt, verarbeitet oder zubereitet werden. Am 17. Februar wurde nun im EU-Amtsblatt ein Löschungsantrag vom "Regionalverband noewest-mostviertel" veröffentlicht: Da man kein Interesse mehr an der geschützten Herkunftsangabe habe, solle diese doch bitte aus dem weltweit gültigen EU-Register gelöscht werden. Die Begründung: Für den Verkauf des Erzeugnisses vor Ort sei die geschützte Angabe ohne Bedeutung, weil der Name hier ohnehin bekannt sei. Ambitionen in Richtung modernen Agrarmarketings bestehen offensichtlich nicht. Im Mostviertel ist man sich selbst genug.

Doch die wirtschaftliche Bedeutung geografischer Ursprungsangaben wächst. Verstärkt wird dieser Prozess durch die Ausweitung des EU-Systems auf eine wachsende Zahl von Drittstaaten. Die EU ist im Begriff, ein weltweites Regelsystem zu etablieren. Umso wichtiger ist es für den Einzelnen, rechtzeitig und umfassend seine Position im System zu behaupten.

Viele EU-Mitgliedstaaten haben diese Entwicklung erkannt und verstärken ihre Bemühungen, nationale Produkte unter dem EU-Schutzschirm für geografische Ursprungsangaben zu platzieren. Österreich verhält sich demgegenüber abwartend und unternimmt keine entsprechenden Bemühungen, neue Produkte in die jeweiligen Register einzutragen. Der jüngst Löschungsantrag verstärkt diesen Eindruck. Es besteht die Gefahr, dass Österreich hier - sei es aus Sparsamkeit am falschen Platz oder einfach aus purer Ignoranz - eine wichtige Entwicklung verschläft.