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Die Lücke in der Männerdomäne ÖGB

Von Werner Stanzl

Gastkommentare
Werner Stanzl ist Publizist und Dokumentarfilmer.

In das Daueranliegen gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss endlich Bewegung kommen. Am besten nach dem Artikel 11 der Menschenrechte.


Für Streikaufrufe ist auf Nachrichtenseiten kein Platz. Aber über die Geduld der Frauen Österreichs darf man sich schon wundern. Man könnte meinen, sie hören lieber Sonntagsreden zum Weltfrauentag als zu handeln. Etwa im Sinne des Artikels 11 der Menschenrechtskonvention. Dieser garantiert auch in Österreich das Recht, Gewerkschaften zu bilden und bei Bedarf Kampfmaßnahmen zu setzen.

Nach dem Gesetz sind Frauen in Österreich seit 1918 gleichberechtigt. Von Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt kann aber keine Rede sein. Trotz besserer Zahlen bei Fachausbildungen und Hochschulabschlüssen und zumindest gleichwertigen Qualifikationen im Arbeitsprozess werden sie schlechter bezahlt und seltener befördert als Männer.

Typische "Frauenarbeitsplätze" im Gesundheits- und Sozialbereich, im Handel oder bei den Büroberufen werden schon in der Planung mit niedrigeren Personalkosten kalkuliert und in der Folge budgetkonform deutlich niedriger entlohnt als vergleichbare "Männerjobs" in der Industrie.

Per Saldo ein Versagen des ÖGB in Folge einer klaffenden Lücke seiner Struktur. Eine unabhängige Frauengewerkschaft könnte sie füllen und mehr bewirken als die acht ÖGB-Bundesfrauensekretärinnen und ihre Vorvorgängerinnen. Denn für den ÖGB gilt, was die Friedrich-Ebert-Stiftung 1970 dem DGB attestierte: "Die Ausstrahlungskraft der männerdominierten Gewerkschaften auf Frauen ist begrenzt." Die Überraschung, die die Studie mit dieser Erkenntnis auslöste, blieb extrem überschaubar.

Wenn Bundesfrauensekretärinnen, Frauen- oder Familienministerinnen nichts oder zu wenig bewirken, warum nicht gleich eine eigene Gewerkschaft für die zwei Millionen weiblichen Beschäftigten in Österreich gründen? Etwa nach Vorbild der kleinen Runde deutscher Ossis, allesamt Lokführer der bankrotten DDR-Bahnen. Sie gründeten gleich nach der Übernahme durch die Wessis bei der Wiedervereinigung ihre eigene freie Gewerkschaft, von Kollegen und bestdotierten Bahnmanagern belacht. Einige Jahre später mischten sie die übermächtige Wessi-Eisenbahnergewerkschaft auf - die Direktoren lachten nicht mehr. Elf Prozent mehr Lohn bei verkürzter Arbeitszeit waren kein Pappenstiel und stehen als Rekordwert in der Geschichte der Arbeitskämpfe.

Eine Initialzündung, die auch jede x-beliebige Damenriege bei entsprechender Entschlossenheit stemmen könnte. Allerdings: Das Prinzip vom gleichen Lohn für gleiche Arbeit braucht mehr als bloße Tarifstreiks. Es geht auch um mehr als ein paar Euro plus fürs Börsel. Allein schon die gefühlte Bereitschaft zum Streik könnte Parlament, Regierung und Arbeitgebern Dampf machen, die Erfüllung des Gleichheitsprinzips auf dem Lohnsektor herbeizuführen - und eine Neubewertung der "Frauenjobs". Als Teil des Arbeitsgesetzes und nicht bloß per Kollektivvertrag oder Sonderstatus für ein paar Quoten-Privilegierte.

Nichts weist darauf hin, dass die Mehrzahl der Männer den Frauen nicht solidarisch beistehen würden. Allein von den Vätern der zwei Millionen weiblichen Erwerbspersonen lebt gut eine halbe Million noch. Zumindest diese würden doch mit den Reihen der Frauen aufschließen.