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Strafzölle: Trump hat recht - so geht es nicht weiter

Von Friedrich Korkisch

Gastkommentare

Dass Europäer in den USA billiger anbieten als in Europa, ist ein brisantes Thema.


Eine der Ankündigungen von Donald Trump im Wahlkampf 2016 war, das enorme Handelsbilanzdefizit der USA abzubauen. Das erwies sich als schwierig, weil die Handelspartner der USA (um ihre Überschüsse abzusichern) gegensteuern. Die EU wiederum wäre gut beraten, nicht mit Gegenmaßnahmen zu drohen, weil die Verlierer die europäischen Industriestaaten wären, der Gewinner wäre China.

Jean Roth vom US Bureau of Economic Analysis hat mir die Enddaten betreffend des "International Trade in Goods and Services" für das Kalenderjahr 2017 und für den Jänner 2018 übermittelt, aufgeschlüsselt nach Branchen und den wichtigsten Handelspartnern der USA. Betrug das Handelsbilanzdefizit im Jahr 2016 noch 502 Milliarden Dollar, so stieg es 2017 auf 566 Milliarden Dollar, den höchsten Wert seit 2008.

Alle Zusagen Chinas, schon an den damaligen US-Präsidenten Barack Obama, und nun erneut an Trump, die Käufe in den USA den Exporten Chinas anzupassen, waren leere Worte. De facto finanziert der Konsum in den USA indirekt Chinas steigende Rüstungsausgaben. Peter Navarro, Direktor für Handel und Industriepolitik im Weißen Haus, sieht in den Defiziten sogar eine Gefahr für die nationale Sicherheit.

US-Exporte nach China, Japan und Europa im Sinkflug

Die Exporte nach China fielen vom Dezember 2017 bis Ende Jänner 2018 um 28 Prozent, jene nach Japan verringerten sich um 12 Prozent, und das Defizit gegenüber der EU betrug im Jänner 2018 gut 13,6 Milliarden Dollar. Die EU, China, Japan und andere berufen sich nun auf die WTO-Regeln, aber die US-Präsidenten George Bush Senior und Junior, Obama und Trump erklärten, die WTO-Regeln würden zum Nachteil der USA ausgelegt, und alle US-Präsidenten seit Ronald Reagan haben irgendwann Strafzölle eingehoben, Trump zuletzt auf chinesische Solarpanels und Haushaltsgeräte. China wiederum behindert alle Exporteure, auch europäische, aber die jeder festen Haltung ausweichende EU will nicht gemeinsam mit den USA gegen China vorgehen, sondern biedert sich willfährig Peking an.

Was die Stahlpreise betrifft, kommt von der Bauindustrie eine Warnung, weil diese das große Infrastruktur-Investitionsprogramm der US-Administration von ausländischen Anbietern beherrscht sieht (mehr als eine Billion Dollar bis 2030, es geht unter anderem um den Neubau von 18.000 Brücken) und daher Druck auf die Regierung ausübt, die Ungleichheiten bei Preisen nicht länger hinzunehmen. Denn egal wie sehr die US-Industrie ihre Kosten senkt, China und Indien konnten noch billiger anbieten, obwohl der Dollar seit 2001 um gut 40 Prozent an Wert verloren hat (so etwa gegenüber dem Euro); vermutlich produzieren einige chinesische Unternehmen nur für den US-Markt.

Früher erklärten Ökonomen, der zu teure Dollar verhindere mehr Exporte, nun ist der Dollar unterbewertet (Trump irrte, als er 2017 sagte: "The Dollar is too strong"), also sind laufend gesteigerte (oft verdeckte) Importabgaben auf US-Produkte (auch in Österreich, wo sogar auf einzelne Bücher Zoll eingehoben wird) die Ursache für Import-Verteuerungen. Gary Clyde Hufbauer vom Peterson Institute for International Economics meint allerdings, es sei der hohe Wohlstand in den USA, der den Konsum anheize, auch die Kreditgewährung der Banken bei geringen Zinsen.

China und Südkorea manipulierten mehrfach die Wechselkurse gegenüber dem Dollar, was die USA (und die EU) verärgerte. Daran vermochten auch bilaterale Gespräche nichts zu ändern. Der Ökonom C. Fred Bergsten erklärte dazu, die WTO verhindere keine staatlichen Manipulationen, und die nächste Rezession könne - hier ist er einer Meinung mit Ex-Fed-Chef Ben Bernanke - bei den hohen Schulden zu einer politischen Krise ausufern, daher sei "America First" auch als Notbremse zu sehen. Andere Ökonomen meinen, viele Staaten würden gegenüber dem Dollar ihre Währungen manipulieren und diverse "Abgaben" einheben, dazu komme die Sparpolitik, es gebe verdeckte Exportförderungen und Steuernachlässe. China wiederum verkauft Stahl in Drittländer, der dann in Form von halbfertigen und Endprodukten in die USA weiterverkauft wird.

Zölle auf Stahl- und Aluminium sind gerechtfertigt

Steigende Importe verringern die Wettbewerbsfähigkeit der USA, weil Know-how und Innovationen nicht reichen, um billiger zu produzieren, und etwa China umgehend alles kopiert, sich nicht an Patentregeln hält und weltweit umfangreiche Wirtschaftsspionage betreibt. 25 Prozent Zoll auf Stahl- und 10 Prozent auf Aluminiumimporten sind daher gerechtfertigt.

Die nächste Frage lautete, warum bei etwa gleichem Lohnniveau von USA und EU ein europäischer Stahlhersteller in den USA billiger anbieten kann als ein US-Stahlerzeuger 50 Kilometer weiter, egal ob FOB Detroit, Houston oder Cleveland. Die Voest erkannte diese Entwicklung schon um 2000 und beschloss daher, in den USA zu produzieren. Dafür wurde sie dann in Österreich von jenen kritisiert, die zugleich vehement gegen TTIP opponierten - also von der ganz Linken und ganz Rechten, unterstützt von naiven Journalisten der Kleinformat-Szene. Diese schreibt nun, Trump sei "unberechenbar" und wolle "einen Handelskrieg". Die EU wiederum warnt in seltsamer Wortwahl vor "Anti-Dumping Maßnahmen", hat aber selbst Strafzölle gegenüber Brasilien und Russland verhängt. Übrigens hat bereits im Jahr 2002 der damalige US-Präsident George W. Bush gegenüber der EU Strafzölle wegen Dumpingpreisen bei Stahl beschlossen.

Die WTO (davor GATT) und die damit verflochtene Globalisierung gingen ja davon aus, dass die Industriestaaten von den Entwicklungsländern Rohstoffe und diese dafür Hi-Tech und Dienstleistungen im Westen kaufen würden. Dass die Entwicklungsländer selber Hochtechnologieprodukte erzeugen und im Westen billig anbieten, ist daher als Betriebsunfall der GATT-Befürworter zu betrachten.

Rätselhafte Preisdifferenzen bei Fahrzeugen in EU und USA

Das US Bureau of Economic Analysis hat zwei Bereiche als Defizitverursacher ausgemacht: die gesamte Palette der Konsumprodukte aus China, die allein für zwei Drittel des Defizits verantwortlich sind, gefolgt von Autos, Medikamenten und Bekleidung. Energieimporte sind hingegen kein Thema mehr, weil die Exporte stark zugenommen haben (inzwischen 71 Milliarden Dollar). Bei Dienstleistungen haben die USA einen großen Überschuss erwirtschaftet, ebenso bei Lizenzen, Patentrechten, im Tourismus und im Finanzsektor. Aber die Rezession hat viele Staaten schwer getroffen, und die hohen Staatsschulden haben das Einkaufsverhalten verändert, so zum Beispiel in der EU bei Rüstungsgütern.

Bleibt die Frage, warum ein Porsche oder Audi in den USA billiger ist als in Europa, umgekehrt aber ein US-Auto in Europa doppelt so viel kostet wie in den USA. Dass heute viele Pkw-Händler (Jeep ausgenommen) keine US-Autos importieren, weil das zu kompliziert und der finale Preis viel zu hoch ist, gilt auch in Österreich. Und wenn nun europäische Hersteller warnen, der Rückexport von rund 430.000 europäischen Pkw von den Montagewerken in den USA nach Europa würde dann diese erheblich verteuern, stellt sich die Frage, warum die Fahrzeuge in den USA billiger hergestellt werden können als die gleichen, die etwa in Deutschland produziert werden. Es gibt also viele offene Fragen.