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Kein Ende der Wasserarmut

Von Irene Giner-Reichl

Gastkommentare

Das jüngste Weltwasserforum hat die tiefen Gräben quer durch die internationale Gemeinschaft aufgezeigt.


Wasser ist lebensnotwendig - für Pflanzen, Tiere, Menschen, Ökosysteme - und ungleich verteilt: Gut 40 Prozent der Weltbevölkerung leiden unter Wasserknappheit. Der Wasserkreislauf überschreitet Landesgrenzen und Kontinente. Die UNO zählt hunderte grenzüberschreitende Grundwasserkörper und 263 internationale Gewässer, von denen zwei Drittel nicht von den Anrainerstaaten gemeinsam gemanagt werden.

Die Einzugsgebiete machen fast die Hälfte der Landmasse der Erde aus. Von der Verlässlichkeit jährlich wiederkehrender Niederschläge hängt die globale Lebensmittelversorgung direkt ab. Bereits jetzt dem Klimawandel zurechenbare Veränderungen von Niederschlagsmustern bringen Dürre und Überschwemmungen in katastrophalem Ausmaß mit sich. Mehr als zwei Milliarden Menschen trinken verschmutztes Wasser, mit großen gesundheitlichen Risiken. Viereinhalb Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu einem funktionierenden Abwassersystem. 80 Prozent des weltweiten Abwassers werden ungereinigt in die Natur zurückgeleitet. Besser als frühere Generationen kennen wir die Wasserfakten. Können wir deswegen auch besser miteinander kooperieren?

"Wasser Teilen" war jüngst das Generalthema des 8. Weltwasserforums in Brasilia. Weltwasserforen werden seit 1997 alle drei Jahre vom Weltwasserrat, einer Vereinigung von Firmen, Finanzinstitutionen und Wissenschaftern, und vom jeweiligen Gastgeberland ausgerichtet, um alle Interessengruppen zur Suche nach Lösungen zusammenzubringen.

Zwei aufrüttelnde Berichte

Zwei Berichte sollten dabei aufrütteln: "A Question of Survival" ("Eine Frage des Überlebens"), verfasst von fünfzehn Persönlichkeiten unter dem Vorsitz des früheren slowenischen Präsidenten Danilo Türk; und "Making Every Drop Count: An Agenda for Water Action" ("Jeder Tropfen soll zählen: Eine Agenda für Maßnahmen zum Wasser"), ein Bericht von zwölf im Amt befindlichen Staats- und Regierungschefs.

"Eine Frage des Überlebens" konstatiert ein bedrohliches Zusammenwirken von wachsender Süßwasserknappheit und negativen Auswirkungen bestehender Wassernutzungsmuster in vielen Regionen. Dass der Klimawandel sich vor allem über Veränderungen im Wasserkreislauf manifestiert, wird hervorgehoben. All dies trage zu einer Verschlechterung der Sicherheitssituation in vielen Teilen der Welt bei. Wasserkooperation müsse daher zu einem wesentlichen Instrument der Stärkung von Frieden und Stabilität entwickelt werden, ausgehend von bestehendem internationalen Wasserrecht. Es gelte Wasserdaten global zu erfassen, innovative Möglichkeiten der Finanzierung zu erschließen (vorgeschlagen wird ein internationaler "Blauer Fonds") und die Wasserdiplomatie insgesamt auf ein neues Niveau zu heben.

"Jeder Tropfen soll zählen" baut seine neue Agenda auf drei Säulen auf: besseres Verstehen von Wasserfakten und Zusammenhängen; Wertschätzung des Wassers in allen seinen Dimensionen; bessere Wassergouvernance. Integrierte Vorgehensweisen auf lokaler, nationaler und regionaler Ebene sollen Silos der Politik und Fachspezialisierungen überwinden. Innovation, Partnerschaften und mehr Geld sollen während der Wasserdekade, die die UNO heuer am 22. März ausgerufen hat, echte Veränderungen zum Besseren herbeiführen.

Mehr als hundert Minister und ein gutes Dutzend Staats- und Regierungschefs waren beim Weltwasserforum dabei; rund 40.000 Menschen nahmen insgesamt daran teil: am Forum selbst, an der Ausstellung und an der angeschlossenen "Bürgerstadt", in der Wasserthemen für ein nicht-spezialisiertes Publikum und für Kinder anschaulich dargestellt wurden - ein erstmaliges Angebot während eines Weltwasserforums. Das Budget des Forums wurde mit umgerechnet 20 Millionen Euro angegeben. Es gab zahllose, teils sehr hochrangig beschickte Panels, Seminare und Nebenveranstaltungen. Das World Youth Parliament brachte den Standpunkt der Jugend sichtbar in einigen Panels ein.

Das Forum nahm eine ministerielle Erklärung an, von der ich mir nicht erwarte, dass sie die internationale Wasserkooperation weiterbringen wird. Insbesondere zur Frage der grenzübergreifenden Kooperation und zum Nexus "Wasser und Sicherheit" zeigten sich in den Verhandlungen tiefe Gräben quer durch die internationale Gemeinschaft.

Wenig Weiterentwicklung

Die brasilianische Tageszeitung "Folha de Sao Paulo" kritisierte, brasilianischen Politiker hätten das Forum zur Schönfärberei missbraucht, und die Organisation sei mangelhaft gewesen. Die Aktion "Brot für die Welt" befand, das 8. Weltwasserforum habe technische Ansätze überbetont und nicht den nötigen Richtungswechsel hin zu naturbasierten Lösungen eingeleitet. Mir als "Generalistin" der Nachhaltigkeitsthematik fiel besonders auf, wie wenig sich die Wasserkooperation in den vergangenen Jahren weiterentwickelt zu haben scheint.

Vieles, was das Weltwasserforum als bedrohliche Trends aufzeigte, ist schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten der interessierten Öffentlichkeit bekannt. Während etwa Energiearmut zu Beginn des 21. Jahrhunderts als großes entwicklungspolitisches Hindernis für die Überwindung von extremer Armut erkannt und ernstgenommen wurde und sich in der Folge die Zugangsraten zu modernen Energiedienstleistungen global signifikant verbessert haben, sind wir weit entfernt von der Überwindung der Wasserarmut - eines noch gravierenderen Entwicklungshindernisses - und die Trends verschlechtern sich.

Erneuerbare Energien können heute praktisch überall mit fossilen Energien erfolgreich konkurrieren; ihr Einsatz zur Überwindung der Energiearmut eröffnet einträgliche Geschäftsmöglichkeiten. Beim Wasser hingegen sind wir viel stärker auf tiefgreifende Verhaltensänderungen, nachhaltigere Formen des Konsums und (grenzüberschreitende) Zusammenarbeit bei der integrierten Nutzung von Wasservorkommen angewiesen. Damit tun wir uns international noch sehr schwer. Dies sollte als Arbeitsauftrag für Spezialisten der internationalen Kooperation aufgefasst werden.