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Das Kopftuchverbot und seine Ambivalenz

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Über symbolische Maßnahmen.


Dem überrumpelten Bildungsminister Heinz Faßmann verdanken wir das eindeutigste Wort: Das geplante Kopftuchverbot für Kindergärten und Volksschulen sei eine "symbolische Maßnahme". Was aber bedeutet das?

Die Zahl der betroffenen Mädchen ist unbekannt. Man weiß nur, dass es kein Massenphänomen ist. Aber das Gesetz sei, so Faßmann, "unabhängig von der Quantität". Es handelt sich also nicht um die Antwort auf ein gravierendes reales Problem, sondern um die Antwort auf ein gefühltes Problem. Genau deshalb bewegt es alle. Und genau deshalb ist es symbolisch.

Die Gefühle, die Bedürfnisse, die solch ein Kopftuchverbot befriedigt, die sind durchaus ambivalent. Man kann aus Gründen der Emanzipation gegen das Kopftuch bei kleinen Mädchen sein - um diese jungen Mädchen zu stärken und zugleich vor dem Zugriff ihrer religiösen Eltern zu schützen. Man kann aber auch dagegen sein, weil man für Assimilation, für das Tilgen von fremden Zeichen ist. Interessant ist, dass diese beiden so unterschiedlichen Beweggründe in derselben Forderung münden - in einem Kopftuchverbot.

In beiden Fällen ist die entscheidende Frage: Wofür steht das muslimische Kopftuch? Was für ein Zeichen ist es? Ein traditionell-religiöses? Die Uniform der Islamisten? Oder gar ein emanzipatorisches - wie bei jenen jungen Frauen, die ihr Kopftuch trotzig der Mehrheitsgesellschaft entgegenhalten? Der Punkt ist - das Kopftuch kann all das sein. Es ist ein mehrdeutiges, ein ambivalentes Zeichen. Was macht nun die symbolische Politik des Kopftuchverbots? Sie wählt ein Symbol aus, gegen das alle sind - wer ist schon für das Verhüllen von kleinen Mädchen? Der Effekt aber ist: Sie macht ein eindeutiges Zeichen daraus. Sie stigmatisiert das Kopftuch. Auch für größere Mädchen. Das unterscheidet Scheinpolitik von symbolischer Politik. Letztere definiert ein Symbol. Ganz eindeutig. Und in dem Fall ganz negativ.

Teil dieser symbolischen Strategie ist es auch, das zur Chefsache zu machen. Warum belässt man die Sache nicht dort, wo sie hingehört - im Unterrichtsministerium? Warum verkündet das nicht der Bildungsminister, sondern Kanzler und Vizekanzler? So bekommt das geplante Verbot eine eminente symbolische Bedeutung - bei gleichzeitigem Rückbau der realen Fördermaßnahmen. Man signalisiert, "was erlaubt ist und was nicht", erklärte der solcherart überspielte Faßmann nachträglich - aber man kürzt die notwendigen Mitteln. Man will gegen Integrationsverweigerung vorgehen, aber reduziert gleichzeitig die Integrationsmöglichkeiten.

Wenn die Sorge um die kleinen Mädchen (was ist eigentlich mit den kleinen Buben? Sind die integrationswilliger?) - wenn die Sorge um diese Mädchen mit dem Ausleben von Ressentiments in ein und demselben Vorgang stattfinden kann, dann ist das eine heikle Gratwanderung. Deshalb ist die geplante Maßnahme auch so ambivalent: Sie kann ebenso sehr "Schikane einer Minderheit" wie "Angebot zur (Selbst-)Hilfe" sein, wie Walter Hämmerle schrieb.

Wenn das Verbot aber die Förderung ersetzt, wenn symbolische Politik an die Stelle von Integrationspolitik tritt - dann kippt die Ambivalenz dieser Maßnahme. In die Eindeutigkeit.