Hätte 1938 der Staat Israel bereits bestanden, hätten damals mehr als 64.000 österreichische Juden und insgesamt sechs Millionen Juden gerettet werden können. Leben wir wenigstens jetzt Solidarität mit dem jüdischen Staat, wenn es in Österreich 1938 so viele Täter, so viele Mitläufer, so viele Wegschauer und so wenig Gerechte gab. 24.969 Israelis fielen ab 1920 im Kampf für ihr Land, 36.260 wurden verwundet. Seit 1948 wurden 3791 Israelis Opfer von palästinensischem Terrors.

Israel, der jüdische Staat, gegründet nach der Shoah, wird heute gängigen internationalen Meinungsumfragen zufolge nur noch wenig unterstützt. So zeigt eine Auswertung der jüngsten verfügbaren Daten des Washingtoner Pew Research Center aus dem Jahr 2013, dass in Frankreich, Großbritannien, Tschechien, Polen und Deutschland nur noch ein Drittel der Bevölkerung eine positive oder sehr positive Meinung von Israel hat, in Italien und Spanien ist es nur noch ein Viertel.

Aufgeschlüsselt nach Parteipräferenzen lässt sich sagen, dass die Parteigänger der europäischen Linksparteien noch negativer über den Staat Israel denken als der nationale Durchschnitt und dass Christdemokraten, Konservative und Liberale noch die verlässlichsten Unterstützer Israels sind. Der "BBC World Poll" für 2015 lässt den Schluss zu, dass insgesamt nur noch 23 Prozent der Weltbevölkerung Israel unterstützen, während 41 Prozent den jüdischen Staat ablehnen. Die restlichen 36 Prozent stehen Israel gleichgültig gegenüber. Für Israel ist ein Hoffnungsschimmer, dass in Russland, Indien und China noch überraschend positivere Tendenzen zum Tragen kommen.

Es lässt sich auch nicht leugnen, dass die Länderwerte der Ablehnung Israels statistisch sehr stark mit dem global wachsenden Antisemitismus zusammenhängen, der heute bereits für mehr als 100 Staaten dokumentiert ist. Die hässliche Fratze des Antisemitismus ist mit der ebenso hässlichen Fratze des Antizionismus austauschbar.

Nahost-Konflikt verdeckt größere Probleme der Region

Eine nüchterne Bilanzierung der Menschenrechtsperformance der Region legt nahe, dass Israel und die Konflikte, die unter dem Stichwort Nahost-Konflikt zusammengefasst werden, gar nicht das prinzipielle Problem der Region sind. Vielmehr geht es darum, dass die arabische Welt nach dem "arabischen Sozialismus", dem Neoliberalismus, der Krise der 1990er Jahre, der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts und dem "Arabischen Frühling" nun zu Demokratie, Marktwirtschaft und wissensbasiertem und ökologisch nachhaltigem Wachstum findet.