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Das alljährliche Lehrerbashing

Von Gerhard Kohlmaier

Gastkommentare

Pädagogen verzeichnen immer weniger Überstunden, weil immer mehr zusätzliche Belastungen in die Normalarbeitszeit eingegliedert wurden.


Die Neos erfuhren in einer parlamentarischen Anfrage, dass Österreichs Lehrer im Schuljahr 2016/17 insgesamt 5,3 Millionen bezahlte Überstunden leisteten, die knapp 300 Millionen Euro kosteten. Offensichtlich war Neos-Chef Matthias Strolz verwundert darüber, wie denn dies möglich sei. Und er konnte auch nicht nachvollziehen, warum trotz gesunkener Anzahl von Überstunden die Kosten dafür stiegen.

Mag sein, dass er sich in Anlehnung an die Vorstellung des Wiener Bürgermeisters Michael Häupls vom Lehrerdasein die Frage stellte, wie es denn möglich sei, dass man bei einer Tätigkeit, die eigentlich am Dienstag zu Mittag endet, so viele Überstunden anhäufen kann. Mag aber auch sein, dass ihn der Betrag nur deshalb überraschte, weil man ihn seiner Meinung nach einsparen oder sinnvoller einsetzen könnte, beispielsweise für den von ihm propagierten "Unternehmergeist", für den Jugendliche bereits in den Schulen begeistert werden sollen.

Wie auch immer. Schon so früh wie nie scheint heuer das Lehrerbashing eröffnet zu sein, normalerweise beginnt die Hetzjagd gegen die Pädagogen erst kurz vor den Ferien.

Im Schuljahr 2016/17 waren in Österreich insgesamt 127.896 Lehrer beschäftigt. Das wären also pro Lehrer durchschnittlich 41 Überstunden jährlich oder etwa 2345 Euro zusätzlicher Jahresverdienst brutto. Vergleicht man den Anteil von Überstunden am Bruttomonatsverdienst zwischen verschiedenen Berufsgruppen, so bilden die Lehrer laut einer Studie des Forschungsinstituts Forba in Zusammenarbeit mit der Universität Wien aus dem Jahr 2016 mit einem Anteil von etwa 2 Prozent das Schlusslicht aller Dienstleistungs- und Wirtschaftsbereiche. Am höchsten ist der Anteil der Überstunden in den Wirtschaftsabschnitten "Bergbau" (11 Prozent) und "Verkehr" (9 Prozent), "Wasserversorgung und Abfallentsorgung" (8 Prozent), "Bau" sowie "Beherbergung und Gastronomie" (jeweils 7 Prozent).

Allein zwischen 2010 und 2014 ist zudem der Anteil an Überstunden bei den Pädagogen um mehr als 50 Prozent gesunken. Dieser drastische Rückgang lässt sich leicht erklären, weil immer mehr Überstunden in den Bereich der Normalarbeitszeit von Lehrern eingegliedert wurden und somit deren Gesamtarbeitszeit gestiegen ist. Das hat zur Folge, dass beispielsweise Unterrichtsvertretung für erkrankte Kollegen in der schulischen Praxis nicht mehr extra honoriert wird. Der überwiegende Teil der Pädagogen hat demnach überhaupt keine Überstunden mehr.

Fehler der verantwortlichen Politiker über viele Jahre

Wie und wo fallen also diese Überstunden an, über die Strolz empört zu sein scheint? Sie sind das Resultat einer fehlerhaften Personalpolitik der verantwortlichen Politiker, denn in nicht wenigen Tätigkeitsbereichen des Unterrichts sind die Schulen mit einem eklatanten Mangel an ausgebildetem Fachpersonal konfrontiert. Die Unterrichtsstunden müssen jedoch dennoch gehalten werden und sind daher in immer mehr Fällen auf bereits vorhandenes Personal zu verteilen. Und da derzeit nahezu die Hälfte der österreichischen Lehrer 50 Jahre und älter ist, steigen trotz sinkender Mehrdienstleistungen die Ausgaben dafür leicht an. Hinzu kommt, dass der Dienstgeber im sogenannten Sicherstellungserlass sogar Überstunden vorschreibt, weil diese um ein Drittel billiger sind als die der normalen Lehrverpflichtung.

Sowohl die bereits begonnene Pensionierungswelle als auch eine verfehlte Ausbildungspolitik haben zu einem Personalengpass geführt. Die in allen Bereichen gestiegenen Anforderungen und Belastungen, denen Pädagogen ausgesetzt sind, sowie das alljährlich seitens politischer Vertreter aller Parteien in Gang gesetzte Lehrerbashing tun ihr Übriges, dass der Beruf für viele junge Menschen unattraktiv geworden ist.

Dass unter solchen katastrophalen bildungspolitischen Bedingungen die Überstundenquote bei den Lehrern nahezu die geringste unter allen Arbeitnehmern ist, lässt sich eben nur dadurch erklären, dass immer mehr zusätzliche Belastungen in die Normalarbeitszeit eingegliedert wurden. Statt rechtzeitig für mehr und gut ausgebildetes Lehrpersonal zu sorgen, haben politische Versäumnisse über viele Jahre ein beschäftigungs- und bildungspolitisches Dilemma geschaffen, das auf Kosten der Lehrer sowie der Ausbildung der Schüler geht.

Zum Autor

Gerhard Kohlmaier

ist aktiv in der Steuerinitiative des ÖGB (www.steuerini.at). privat