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Realpolitische Grenzen der Diplomatie

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter. Alle Beiträge dieser Rubrik unter: www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Warum Österreichs Ambitionen, ein Vermittler und Krisenkoordinator zu sein, schwierig umzusetzen sind.


Die Bundesregierung macht keinen Hehl daraus: Sie will eine proaktive Außenpolitik betreiben, bei der Österreich die Rolle eines Vermittlers einnehmen soll. Unbestritten ist, dass Mediation der friedlichere Weg ist, Krisen zu lösen. Gleichzeitig birgt der Versuch auch einige Risiken: Unterscheidet sich nämlich der Standpunkt der Bundesregierung in Wien von jenem in Brüssel, so könnte Österreich früher oder später in Erklärungsnot geraten und auf internationaler Ebene an Glaubwürdigkeit verlieren.

Seit einigen Jahren ist Europa nun schon von mehreren Konfliktherden umgeben: Diese sind einerseits auf den "Arabischen Frühling" und seine Nachwirkungen - Bürgerkriege in Libyen und Syrien - zurückzuführen. Andererseits herrscht zwischen den USA und Russland eine Eiszeit, die an den Kalten Krieg erinnert. Hinzu kommt eine immer autoritärer agierende Regierung in der Türkei.

Die Künste der Diplomatie, auf die im 20. Jahrhundert noch viel gehalten wurde, haben heute durch populistische Rhetorik und die Nutzung neuer sozialer Medienkanäle wie Twitter ein selten niedriges Niveau erreicht. Immer häufiger liest man von verbalen Entgleisungen von Regierungschefs wie dem US-Präsidenten Donald Trump oder dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Dies spricht für einen besonnenen Krisenkoordinator, der nicht mehr Öl ins Feuer gießt, sondern Gesprächsbereitschaft fördert.

Besonders in Syrien wird jedoch deutlich, dass es den Staaten, die im Bürgerkrieg involviert sind, nicht in erster Linie um das Wohl der Zivilbevölkerung geht. Die USA und Russland kämpfen um Einflussbereiche, während der Westen sich mit der Anschuldigung konfrontiert sieht, Terroristen ("Oppositionelle") mit Waffen zu unterstützen.

So schön der Versuch Österreichs, sich als Krisenkoordinator im Syrien-Konflikt anzubieten, auch klingen mag - realpolitisch kann er wahrscheinlich recht wenig bewirken. Vor allem, wenn Brüssel weiter unbeirrt am selben Strang zieht wie Washington, das politisch und wirtschaftlich mit den "Big Players" Russland und China auf Kriegsfuß steht. Allein deshalb wird selbst der UN-Sicherheitsrat nur wenig zum Friedensprozess in Syrien beitragen können.

Die wesentliche Frage, die sich jene Kräfte, die eine Vermittlung zwischen den USA und Russland anstreben, stellen müssen, ist nur eine: Ist eine Gesprächsbereitschaft überhaupt gewollt? So hat der russische Außenminister Sergej Lawrow erst kürzlich Österreichs Außenministerin Karin Kneissl zu verstehen gegeben, dass das Angebot aus Wien, in Syrien ein Brückenbauer zu sein, zwar löblich, aber nicht erwünscht sei. Eben, weil die Vermittlung an die Grenzen der Realpolitik stößt, in der es vordergründig um Macht, Ressourcen und Geostrategie geht und weniger um Dialog und Kompromisse.

Hinzu kommt, dass sich andere EU-Staaten nach wie vor auf den vom Weißen Haus vorgegebenen Anti-Russland-Kurs eingeschworen haben und ökonomische Belastungen, die durch verschärfte Sanktionen zunehmen, in Kauf nehmen. Zumindest ist man sich also über gemeinsame Feinde einig.