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Wir alle zahlen die Zeche

Von Martin Ehrenhauser

Gastkommentare

Blitzschnelle Roboterhändler verzerren Kurse und bringen Börsen zum Einsturz. Den Schaden tragen Anleger, Sparer und Versicherte.


Millionen Anleger und Sparer allein in Österreich betreiben private Altersvorsorge, versichern ihr Haus oder ihr Auto und legen ihr Erspartes in Fonds und Aktien an. Dafür überweisen sie jährlich Milliarden an Versicherungsunternehmen und Banken, die dann mit den Taschen voller Kundengeld auf den automatisierten Finanzmärkten shoppen gehen. Und weil die institutionellen Investoren den besten Preis für ihre Kunden suchen müssen, beginnt an den Börsen ein absurdes Versteckspiel mit jenen, die in den Orderbüchern der Handelsplätze bereits auf ein profitables Stück vom Kundenkuchen lauern: die Geldroboter.

Das sind Hochfrequenzhandelsunternehmen, die mit Algorithmen ultraschnell Finanzprodukte kaufen und verkaufen. Sie tragen Namen wie "Virtu Financial" oder "Flow Traders", handeln teilweise an mehr als 200 Börsen weltweit, 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche. Auch an der Wiener Börse. Man könnte sie mit Immobilienmaklern vergleichen, also mit Zwischenhändlern, die jedoch ohne Kundenauftrag permanent und ultraschnell Wohnungen kaufen und sofort wieder verkaufen. Ihr Interesse gilt dem kurzfristigen Gewinn, nicht der Wohnung.

Diese Geldroboter verursachen mit ihren Methoden direkte Kosten für Versicherungsnehmer und Sparer sowie enorme Schäden für die gesamte Gesellschaft. Der frühere EU-Kommissar Michel Barnier bezeichnet sie zu Recht als "systematische Gefahr für die Märkte", und für Horst Köhler, den ehemaligen deutschen Bundespräsidenten und Direktor des Internationalen Währungsfonds, verkünden diese Geldroboter "die Herrschaft des Geldes mit Maschinen".

Teurer wird es für die Sparer, weil Versicherungsunternehmen bei der Anlage von Kundengeld übervorteilt werden, etwa wenn Geldroboter überfallartige Handelspraktiken anwenden, mit denen sie gezielt die Orderabwicklung oder die Preisbildung an den Börsen ausnutzen.

Börsenbetreiber locken Robo-Händler mit Privilegien

Das liegt auch daran, dass Börsen in der Hoffnung auf mehr Handel und Umsatz Geldroboter privilegieren. Sie locken die Maschinenhändler mit Gebührenbefreiungen, Kick-Back-Zahlungen oder ausgetüftelten Odertypen, mit denen Geldroboter andere Marktteilnehmer übervorteilen können. Auch das gehört zum Alltag an den Börsen.

Das Resultat ist, wie unterschiedliche wissenschaftliche US-Studien belegen, dass sich trotz Automatisierung die Handelskosten für institutionelle Investoren erhöht haben. Nicht nur, weil Geldroboter profitabler sind, wenn sie gegen normale Händler in antreten, sondern auch, weil sie die Börsenkurse zum Nachteil gewöhnlicher Investoren und Anleger verzerren. Solche Fehlbewertungen können sich zu extremen Kurseinbrüchen hochschaukeln. So entstehen die plötzlichen Flash-Ereignisse, die heute allgegenwärtig sind, wie es in einer Studie der Europäischen Zentralbank heißt. Gemeint sind durch Blitzhändler ausgelöste Abstürze an den Börsen, für die es keinen realwirtschaftlichen Grund gibt. Es existiert ein wahres Flash-Crash-Roulette im modernen Finanzkasino 4.0.

Auch die Realwirtschaft trägt den Schaden mit. Denn durch die verursachte Unsicherheit an den Finanzmärkten können Unternehmen nur noch erschwert planen. Dadurch können langfristige Investitionen in die Energiewende oder die Digitalisierung zu kurz kommen. Da beruhigt es auch nicht, wenn der Normalverbraucher das Schicksal mit US-Milliardären wie Charlie Munger teilt. Dieser bezeichnet Geldroboter als Nagetiere, die man in die Mühle lasse. Der Geschäftspartner des Investmentgenies Warren Buffett unterstreicht, dass am Ende immer jemand die Zeche für die Robos zahle. Und bei diesem Jemand handelt es sich, wie wir jetzt wissen, um Sparer, Anleger und Versicherte.