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Bilateralismus als Lösung?

Von Harald Badinger, Jesus Crespo Cuaresma und Harald Oberhofer

Gastkommentare

Gedanken zum Handelskonflikt zwischen den USA und der EU.


In buchstäblich letzter Minute wurde ein Handelskrieg zwischen den USA und der EU verhindert oder zumindest aufgeschoben. Einen Tag vor dem Inkrafttreten der allgemeinen Einführzölle auf Aluminium (in Höhe von 10 Prozent) und Stahl (25 Prozent) setzten die USA diese für die Mitgliedsländer der EU sowie Australien, Argentinien und Brasilien zeitlich befristet aus. Mexiko, Kanada und Südkorea waren schon früher Ausnahmeregelungen zugesichert worden. Im Falle der EU läuft die zeitliche Befristung nun bis 1. Mai - was danach passieren wird, ist unklar.

Die kommenden Tage sollen laut Auskunft beider Seiten für Verhandlungen über die Beilegung handelsrechtlicher Streitfragen genützt werden. Ausgangspunkt für den Konflikt ist das US-Handelsdefizit gegenüber der EU, 2017 betrug dieses 151 Milliarden Dollar beziehungsweise etwa 0,8 Prozent des BIP der USA. Lediglich China erzielt gegenüber den USA einen höheren Handelsbilanzüberschuss (375 Milliarden Dollar).

US-Präsident Donald Trump möchte diese Defizite reduzieren und setzt Strafzölle als ökonomisches Druckmittel ein, um dieses Ziel zu erreichen. Einen ersten Erfolg konnte er schon verbuchen: Südkorea hat, im Gegenzug zu permanenten Ausnahmen im Aluminium- und Stahlsektor, einem neuen bilateralen Handelsabkommen mit den USA zugestimmt, das den Marktzugang für US-Unternehmen in Südkorea verbessert.

Auch mit der EU strebt Trump einen bilateralen "Sonderdeal" an. So hatte er vorab schon ein paar Themen ins Spiel gebracht, bei denen er die USA als benachteiligt ansieht. Das prominenteste Beispiel hierfür ist der Unterschied in den Importzöllen auf Autos zwischen den USA und der EU: Die EU erhebt im Schnitt Zölle in Höhe von 10 Prozent des Warenwerts, während der US-Einfuhrzoll nur 2,5 Prozent beträgt. Die USA wünschen sich darüber hinaus von ihren Nato-Partnern höher Militärausgaben, die vor allem für militärisches Gerät aus den USA ausgegeben werden sollten. Dies würde die US-Exporte nach Europa erhöhen und somit die Handelsbilanz aus Sicht der USA verbessern.

Langfristiger bilateraler Deal könnte (global) sinnvoll sein

Die USA und die EU sind die beiden größten Volkswirtschaften der Welt, produzieren in etwa die Hälfte der weltweiten Wertschöpfung (gemessen am BIP) und handeln miteinander täglich Waren im Wert von etwa 1,7 Milliarden Euro. Die USA und die EU haben aufgrund des Scheiterns der Verhandlungen über TTIP kein bilaterales Handelsabkommen und betreiben den Handel auf Basis der Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Die Meistbegünstigungsklausel bildet das Kernelement dieses Handelssystems. Demnach müssen alle anderen WTO-Mitgliedsländer den gleichen Zollsatz wie das meistbegünstigte WTO-Mitglied erhalten. Ausgenommen von dieser Regel sind Freihandelszonen und Zollunionen, die jedoch nach Vorgaben der WTO einzurichten sind. De facto sind aber etwa 40 bis 50 Prozent aller Waren, die zwischen den USA und der EU gehandelt werden, aufgrund des Meistbegünstigungszollsatz zollbefreit.

Im aktuellen Handelskonflikt mit den USA würde etwa eine Reduktion der Einfuhrzölle auf Autos aus den USA auf 2,5 Prozent dazu führen, dass auch allen anderen Mitgliedsländer der WTO (allen voran China) eine Zollreduktion gewährt werden müsste. Eine bilaterale Abmachung zwischen der EU und der USA ohne den Abschluss eines Freihandelsabkommens würde somit weitreichende, potenziell nicht-intendierte handelspolitische Folgen für den Handel mit Drittstaaten mit sich bringen. Angesichts der Komplexität der potenziellen Effekte erscheint der Zeitraum bis Ende April für eine seriöse Einschätzung der Sinnhaftigkeit einer solchen generellen und einseitigen Handelsliberalisierung eindeutig als zu kurz bemessen.

Eine Alternative dazu wäre, dass die EU und die USA zu Gesprächen über den Abschluss eines bilateralen Handelsabkommens, einer Freihandelszone à la TTIP, zurückkehren. Ein solches Abkommen sollte nicht nur die Beseitigung aller gegenseitigen (asymmetrischen) Zölle, sondern auch den Schutz des geistigen Eigentums sowie hohe ökologische und soziale Mindeststandards zum Ziel haben. In einem ersten Schritt könnten dabei auch die umstrittenen Bestimmungen zum Investitionsschutz hintangestellt werden.

Einigen sich die beiden größten Volkswirtschaften der Welt auf gemeinsame Standards für den internationalen Handel, so würde das auch den Druck auf China erhöhen, sich über kurz oder lang diesen Mindeststandards und Spielregeln anzupassen.

Freihandelsabkommen stünde im Einklang mit WTO-Regeln

Nachdem die multilaterale Handelsliberalisierung im Rahmen der WTO ins Stocken geraten ist, wäre der Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU aus mehreren Gründen begrüßenswert: Erstens stünde ein solches Abkommen im Einklang mit den Regeln der WTO und würde somit die Spielregeln des internationalen Handels berücksichtigen. Zweitens würde es durch den bilateralen Abbau von Handelshemmnissen die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Handelskriege zwischen den USA und der EU drastisch senken.

Drittens könnte ein solches Abkommen durch das ökonomische Gewicht der beiden Handelspartner die zukünftigen Rahmenbedingungen für den internationalen Handel maßgeblich prägen, den weltweiten Schutz von geistigem Eigentum sowie hohe Mindeststandards für die Produktion und den Handel von Waren und Dienstleistungen durchsetzen und in der Folge das multilaterale Handelssystem nachhaltig verändern.