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Eine weltoffene Heimat?

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Zum neuen politischen Angebot der Grünen am Vorabend ihrer Renaissance (Kleine Kolumnenreihe, Teil 2).


Die Grünen zwischen Desaster und Hoffnung. Eine Woche nach Salzburg und eine Woche vor ihrer Renaissance in Linz. Ein guter Moment, ihr neues politisches Angebot zu diskutieren: den Begriff einer "weltoffenen Heimat". Womit wir beim Thema dieser Kolumnenreihe wären.

Worin soll sich diese Heimat von der traditionellen unterscheiden? Will man Umweltfragen als neuen Heimatbezug verstehen, dann muss man sehr genau sein. Denn man bewegt sich auf vermintem Heimatboden.

Der brauchbarste Vorschlag dazu kommt aus Deutschland, wo auch um eine neue Heimat gerungen wird. Grünen-Chef Robert Habeck versteht Heimat als Raum, den die, die hier wohnen, zusammen gestalten. An dieser Definition lassen sich die Unterschiede in Bezug auf das, worum es allen Heimatvorstellungen geht, gut ablesen: die Bindung an Orte und an Menschen.

Beides, sowohl der Ort, der Raum der Heimat als auch der Bezug der Menschen untereinander, deren Solidarität, soll demnach nicht als etwas Gegebenes verstanden werden - sondern als etwas, das es herzustellen gilt. Es geht dabei also nicht einfach um Heimatgefühle, die man passiv konsumiert, sondern um eine aktive Auseinandersetzung mit dem, was dadurch erst zur Heimat werden wird. Insofern wäre eine "offene" Heimat nicht einfach nur an örtlichen Traditionen - und damit an Vergangenheit - orientiert, sondern an einer ganz gegenwärtigen Aneignung, die etwas Zukünftiges herstellen soll.

Soll diese Heimat aber keine Kulisse, sondern ein neues Lebenskonzept sein, dann stellt sich die Frage, ob das Dorf da noch das bestimmende Modell abgeben kann. Das bezieht sich auf jene, die diese Heimat bevölkern. Diese können dann nicht mehr nach dem alten, dörflichen Heimatmodus, dem der Ähnlichkeit, bestimmt werden. Aber es bezieht sich auch auf den Raum dieser Heimat. Sollte eine "offene" Heimat tatsächlich ländlich im emphatischen Sinne - also anti-urban sein, oder sollte sie nicht auch städtische Möglichkeiten einbegreifen?

Wenn die Grünen ein neues Heimatkonzept befördern wollen, wieso greifen sie dann aber auf alte Bildwelten zurück? Schöne Natur, gewachsene Berge, Frauen im Dirndl. Wenn die grüne Heimat eine andere sein soll, dann muss man das auch sehen. Unmittelbar und direkt. Auch auf Wahlplakaten.

Wenn Wahlplakate der Grünen aussehen wie jene der Blauen, dann läuft da etwas schief. Nicht einfach wegen der Verwechselbarkeit. Nicht nur PR-mäßig. Sondern konzeptuell. Denn die Grünen greifen damit genau auf die Bildwelt, auf die Heimatvorstellung zurück, von der sie sich abgrenzen wollen.

Wenn man meint, es brauche einen neuen Heimatbegriff. Und das ist keineswegs ausgemacht. Natürlich hat jeder Mensch - ganz für sich - Heimatgefühle. Das sei jedem unbenommen. Aber muss man daraus ein politisches Programm machen?

Wenn man aber meint, es brauche so etwas - einen offenen Heimatbegriff. Wenn man meint, eine pluralisierte Gesellschaft bedarf solch intensivierter Bindungen, dann reicht ein Rückgriff auf das angestammte Bilderarsenal nicht. Dann darf auch die Ikonografie keine gegebene sein. Wenn man einen neuen Heimatbegriff will, dann muss man auch eine neue Bildwelt dafür finden.