Zum Hauptinhalt springen

Chronik eines angekündigten Theaterdonners

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Das große Feilschen um das nicht ganz so große EU-Budget ist Teil der europäischen Dramaturgie, an deren Ende ein Kompromiss steht.


Alle sieben Jahre legt die EU-Kommission einen aus ihrer Sicht ausgewogenen EU-Budgetvorschlag vor. Für die Zeit 2021 bis 2027 soll der EU-Haushalt für 27 Mitgliedstaaten - der britische EU-Austritt wäre dann vollzogen - 1,28 Billionen Euro ausmachen. Der Brexit hinterlässt eine Milliardenlücke im EU-Budget, doch auch die Aufgaben, die es gemeinsam europäisch zu bewältigen gilt, sind nicht weniger, sondern mehr geworden. Höchste Zeit also für eine erforderliche Neustrukturierung des EU-Haushalts. Sollen alle Bereiche wie bisher finanziell unterstützt werden, braucht es höhere Budgetbeiträge der einzelnen EU-Länder. Dazu kommen notwendige Umschichtungen, um Herausforderungen wie Migration, Sicherheit und Verteidigung, digitale Wirtschaft und Klimawandel auch gerecht zu werden.

Der Startschuss für das große Feilschen ist damit eröffnet. Es geht um viel Geld, sagen die einen. Die anderen argumentieren, dass gerade einmal 1,11 Prozent der Wirtschaftsleistung einer EU-27 mit rund 450 Millionen Menschen nicht die Welt seien. Das jährliche EU-Budget ist um etwa 50 Prozent größer als das Bundesbudget Österreichs. Aber wer will schon mehr Geld ausgeben in Zeiten nationaler Sparansagen? Letztlich ist es geübte Praxis, zumindest hierzulande, diesen Budgetaufschlag der EU-Kommission erstmals abzulehnen und sich nicht vorschnell in die Karten schauen zu lassen. Zuhause will ein Verhandlungserfolg auch verkauft werden, und am Ende soll es Applaus geben.

Österreich war als eines der reichsten EU-Länder schon bisher Nettozahler. 2016 belief sich unser EU-Beitrag auf netto 791 Millionen Euro. In den Jahren davor war es teilweise um einiges mehr, und in Zukunft werden wir noch stärker zur Kasse gebeten werden. Gründe dafür sind insbesondere zusätzliche Ausgaben in neue - auch für uns wichtige - Bereiche sowie Reformen und Kürzungen bei Regionalförderungen und der gemeinsamen Agrarpolitik, von der Österreich traditionell stark profitiert hat, und das Auslaufen des österreichischen Rabatts auf den britischen Budgetrabatt.

Das kommt verständlicherweise nicht gut an. Gerne wird jedoch außer Acht gelassen, dass Österreich als kleine, offene Volkswirtschaft massiv von jedem EU-Integrationsschritt profitiert und unser Land auch Nutznießer jener Bereiche sein wird, in denen nicht direkt Förderungen lukriert werden können. Beispiele sind etwa das Management von Außengrenzen, Migration und Flüchtlingsströmen, deren Haushalt fast verdreifacht werden soll inklusive einem Aufstocken der EU-Grenzschutzbeamten von 1500 auf 10.000; der Bereich Sicherheit und Verteidigung, der mit insgesamt 27,5 Milliarden Euro erheblich gestärkt wird; die Heranführungshilfe für die Länder des Westbalkans, die um
20 Prozent erhöht wird; oder auch Jugendaustauschprogramme, deren Finanzmittel verdoppelt werden.

Der Budgetpoker wird stets mit politischem Theaterdonner eröffnet, wobei europäischer Mehrwert nur schwer mit nackten Zahlen messbar ist. Kritik ist wichtig. Noch zielführender wäre es, mit konkreten inhaltlichen Verbesserungsvorschlägen, die die gesamte EU im Blick haben, jetzt auf europäischer Ebene zu überzeugen.