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Der Ceta-Beschluss - ein "Umfaller"?

Von Peter Hilpold

Gastkommentare
Peter Hilpold ist Professor für Völkerrecht, Europarecht und Vergleichendes Öffentliches Recht an der Universität Innsbruck und Autor von mehr als 250 Publikationen. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Was bei der Kritik an der Zustimmung der FPÖ zum Handelsabkommen der EU mit Kanada übersehen wird.


Die Zustimmung der FPÖ zum Ceta-Beschluss im Ministerrat, der den Weg zur Ratifikation im Nationalrat ebnet, ist auf Kritik gestoßen. Der FPÖ wird eine 180-Grad-Wende ohne sachliche Rechtfertigung vorgeworfen. Dass Ceta die "Giftzähne" gezogen worden seien und es inhaltlich verbessert worden sei, wird mit dem Argument zurückgewiesen, am Vertragstext habe sich seit der Zeit, als die FPÖ in der Opposition war, nichts geändert, und selbst die Auslegungserklärung vom Herbst 2016 habe im Wesentlichen nur den Vertragstext wiederholt.

Auf den ersten Blick trifft dies zu, doch übersieht die Kritik, dass sich seither der international-rechtliche und vor allem der EU-rechtliche Rahmen grundlegend geändert hat, gerade was die strittige Investitionsschiedsgerichtsbarkeit betrifft.

Am 6. März 2018 erklärte nämlich der EuGH im Fall Achmea Intra-EU-Schiedsgerichte für private Investoren für EU-rechtswidrig, da dadurch - allein schon wegen der fehlenden Vorlageberechtigung des zuständigen Schiedsgerichts - die Autonomie des EuGH in Frage gestellt werde.

In Fachkreisen wird überwiegend die Überzeugung vertreten, dass die Wirkungen dieses Urteils weit über den Intra-EU-Bereich hinausreichen. Der niederländische Versicherer Achmea hatte in der Slowakei durch staatliche Maßnahmen erheblichen wirtschaftlichen Schaden erlitten.

Die Ceta-Investitionsschiedsgerichtsbarkeit reicht zwar über die EU hinaus, hat aber in vielerlei Hinsicht dieselben Mängeln wie das beanstandete Schiedsgericht bei Achmea. Es lässt sich gut die Auffassung vertreten, dass auch das Ceta-Schiedsgericht als Investorenschiedsgericht mit Urteilen, die auch in der EU bindend sind, letztlich in die Autonomie des EU-Rechts eingreift. Belgien ersuchte - als Vorbedingung für Walloniens Zustimmung zu Ceta - den EuGH am 6. September 2017 um ein Gutachten, in dem genau die Vereinbarkeit dieser Form der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit mit EU-Recht geprüft werden soll. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Achmea-Urteil der Ausgangspunkt dafür sein wird. Ein negatives Ergebnis würde die EU zu einer Ceta-Neuverhandlung zwingen.

Aus der Perspektive eines EU-Mitgliedstaats wie Österreichs ist damit die Verantwortung an die EU abgegeben worden. Es ist der EuGH, der nun eifersüchtig über seine Kompetenzen wacht und den EU-Staaten auch die diesbezügliche rechtspolitische Entscheidung abgenommen hat. Den Mitgliedstaaten kann es recht sein, für einen "Umfaller" ist nun kein Platz mehr.

Ob diese Entscheidung allerdings beim EuGH in den richtigen Händen ist, ist eine andere Frage. Bei Achmea verwies er auf die gemeinsamen europäischen Werte und den Grundsatz des wechselseitigen Vertrauens, die der Tätigkeit von Investorenschiedsgerichten entgegenstünden. Wie unabhängig die Justiz in einzelnen EU-Staaten ist, zeigt aber die gegenwärtige Diskussion über mögliche Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen diese Staaten. Und der Fall Achmea ist der beste Beleg für die Überforderung der nationalen Justiz bei derart hochpolitischen Streitfällen.

Trotz der schlechten Presse in der EU hat die Investorenschiedsgerichtsbarkeit auf internationaler Ebene längst schon ihre Objektivität, Effizienz und Nützlichkeit unter Beweis gestellt. Über die genaue Gestaltung (EU-Investitionsgerichtshof oder multilateraler Investitionsgerichtshof) wird man diskutieren können, aber die EU wird sich diesem internationalen Trend nicht verschließen können, wenn sie mit den anderen "Mega-Regionals" mithalten will. Der Ministerratsbeschluss vom Mittwoch nimmt damit nur einen Entwicklungsprozess zur Kenntnis, der eine ganz andere Gestalt angenommen hat, als dies noch 2017 absehbar war.