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Es geht auch anders

Von Sebastian Bohrn Mena

Gastkommentare

Das System Massentierhaltung ist am Ende. Gesundheitsgefahren, Klimaschäden, Bauernsterben, Tierleid - angesichts der vielen negativen Auswirkungen wäre ein Wandel in der Landwirtschaft dringend notwendig und auch möglich.


In der heimischen Landwirtschaft kommt es in den nächsten Jahren zu massiven Umwälzungen. So gehen Berechnungen des Wifo davon aus, dass im Jahr 2025 nur noch rund 133.000 landwirtschaftliche Betriebe die Versorgung in Österreich gewährleisten werden müssen, also um rund 25 Prozent weniger als noch im Jahr 2016. Dabei haben bereits seit 1995 fast 90.000 landwirtschaftliche Familienbetriebe für immer geschlossen. Die Urbanisierung schreitet voran, und die Versorgung der Städte mit gesunden Lebensmitteln wird zur größer werdenden Herausforderung. Der ländliche Raum hingegen - damit auch die Landwirtschaft - leidet vermehrt unter dem Abfluss. Schon jetzt beschäftigt die Frage der Hofnachfolge viele Landwirte, die Stimmung ist schlecht.

Die Landwirtschaftskammern gehen von einer Verstärkung der bestehenden Konzentrationsbewegungen aus. Künftig wird es ihrer Einschätzung nach weniger, aber größere Betriebe geben. So soll es 2025 etwa im Schnitt 40.000 Masthühner pro Betrieb in der Geflügelmast geben und sich der Schweinebestand auf fünf Millionen fast verdoppeln.

Massentierhaltung als Zukunftsmodell? Wohl das Gegenteil. Denn auch wenn sie für einige wenige die profitabelste Form der Viehnutzung darstellen mag, ist sie vom gesundheitlichen, ökologischen und tierschutzrechtlichen Standpunkt abzulehnen. Und sie ist auch für die Entwicklung des ländlichen Raums nachteilig. Massentierhaltung macht krank. Das Problem der zunehmenden Antibiotika-Resistenzen betrifft die Fleischindustrie im besonderen Maße, im Bereich der Übertragung von resistenten Bakterien auf Nahrungsmittel. Die Intensivtierhaltung, mit ihren Vollspaltböden und den Bewegungs- und Lichtmangel in Ställen, verursacht die Ausbreitung von Erkrankungen bei Tieren und die Entstehung von Resistenzen.

Massentierhaltung belastet Klima, Böden und Grundwasser

Die Massentierhaltung belastet Klima und Umwelt. Die Haltung von Nutztieren gilt als ein Hauptklimakiller. So entsteht in der Landwirtschaft die überwiegende Menge an Methan- und Lachgas-Emissionen, Letzteres ist 300 Mal so schädlich wie CO2. Und je größer die Betriebe, je höher also die an einem Ort konzentrierte Anzahl an Tieren, umso stärker sind auch die Belastungen für Böden und Grundwasser.

Die Massentierhaltung widerspricht nicht zuletzt auch dem Tierschutzgedanken. In der Massentierhaltung werden Tiere unter Einsatz von technischen Verfahren ausschließlich nach Gesichtspunkten der Profitabilität und Effizienz ausgebeutet. Ihre Bedürfnisse als Lebewesen werden nahezu gänzlich ignoriert, ihr kurzer Lebenszyklus vollständig der wirtschaftlichen Verwertbarkeit unterworfen.

Gelegenheit für Verbesserungen nutzen

Doch die Lage ist nicht aussichtslos, die Zukunft muss nicht aus gigantischen, vollautomatisierten Tierfabriken bestehen. Mit einer anderen Landwirtschaftspolitik ließe sich die Situation für Konsumenten, Produzenten, Umwelt und Tiere verbessern. Die Herausforderungen bieten eine gute Gelegenheit für Verbesserungen - wenn man sie nutzt.

Jährlich stehen dem Staat rund zwei Milliarden Euro an Fördermitteln zu Verfügung. Gleichzeitig werden gegenwärtig die Vorarbeiten zur Erneuerung der Gemeinsamen Agarpolitik (GAP) der EU getroffen, künftig stützt diese sich wesentlich stärker auf nationale Bedürfnisse. Nie war der Gestaltungsspielraum für die heimische Politik also größer als jetzt.

Die Zukunft für die Landwirtschaft liegt in biologischer Produktion, Direktvermarktung, verstärkter touristischer Nutzung und Digitalisierung der Regionen. Studien zeigen ein enormes Potenzial, das gleichermaßen die veränderten Bedürfnisse der Konsumenten wie auch Notwendigkeiten eines ernsthaften Klima-, Umwelt- und Tierschutzes bedienen könnte.

Auch Konzepte der solidarischen Landwirtschaft, bei denen Konsumenten partizipativ eingebunden werden und etwa über längerfristige Abnahmevereinbarungen zu Verbündeten der Kleinbauern werden, blühen bereits in der Theorie. Sie sind es wert, öffentlich gefördert und tatsächlich mit Leben in der Praxis erfüllt zu werden. Dazu muss sich die Landwirtschaftspolitik weg von der Triade Raiffeisen-Bauernbund-Landwirtschaftskammern entwickeln und dem Selbstverständnis abschwören, dass die Landwirtschaft der ÖVP gehört. Der schwarze Fördersumpf bietet keine passenden Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart und die Gefahren der Zukunft.

Trend zu vegetarischer Lebensweise

Es ist gut, dass das vor dem Hintergrund des Klimawandels, der die Bauern massiv betrifft, breiter diskutiert wird. So haben wir die Chance, selbst Verantwortung zu übernehmen für etwas, das uns alle angeht und über Luft, Wasser und Lebensmittel alle betrifft. Das steigende Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung ist dabei ein idealer Ansatzpunkt für landwirtschaftliche Transformationsprozesse. Noch nie waren Menschen so bereit, einen substanziellen Bestandteil ihres Einkommens in gesunde Lebensmittel zu investieren - das zeigt sich auch im Trend zur vegetarischen Lebensweise (bei immerhin 10 Prozent der Bevölkerung). Noch nie war die Notwendigkeit so groß, mit fast zwei Millionen Menschen, die unter Unverträglichkeiten oder Allergien leiden, bei der Produktion von Lebensmitteln auf Herkunft und Zusammensetzung zu achten.

Und angesichts dessen, dass ein Drittel der Lebensmittel verschwendet wird, während 1,5 Millionen am Rande der Armut leben, war die Notwendigkeit einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung und fairen Verteilung nie größer. Das und mehr ist Gegenstand einer bewussten, nachhaltigen Landwirtschaftspolitik. Höchste Zeit für Änderungen.

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