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Ist die OMV in Abu Dhabi unter Zugzwang?

Von Wolfgang Schollnberger

Gastkommentare
Wolfgang Schollnberger hat mehrere Jahrzehnte lang als Manager bei den Konzernen OMV, Shell, Amoco und BP in mehr als 50 Ländern gearbeitet. Er war auch Vorsitzender der International Association of Oil and Gas Producers (IOGP) in London sowie Honorarprofessor an der Montanuniversität in Leoben. Er lebt in den USA.

Das verstärkte Russland-Engagement hat weitreichende Auswirkungen im Nahen Osten.


Vor wenigen Tagen hat die OMV in Abu Dhabi, mit großer Fanfare und im Beisein von Bundeskanzler Sebastian Kurz, 1,5 Milliarden US-Dollar hingeblättert, um einen 20-prozentigen Anteil an zwei Ölkonzessionen (Sarb und Umm Lulu) zu erwerben. Die Möglichkeit weiterer OMV-Investitionen in Abu Dhabi wurde in Aussicht gestellt. Es ist industrieweit bekannt, dass die Vertragsbedingungen in Abu Dhabi für ausländische Ölfirmen äußerst ungünstig und Gewinne in der Branche dort schwer zu erwirtschaften sind. Warum steigt also die OMV in Abu Dhabi jetzt groß ein?

Wirtschaftsnachrichten, die in den vergangenen Wochen aus der Golfregion gekommen sind, melden, dass in den Vereinigten Arabischen Emiraten, deren Hauptstadt Abu Dhabi ist, jetzt ausländisches Eigentum bis zu 100 Prozent möglich ist. Diese Neuigkeit ist bemerkenswert und ein klares Zeichen dafür, dass vier Jahre nach dem drastischen Absturz des Rohölpreises die finanzielle Lage der Golfstaaten und ihrer staatlichen Firmen schlecht sein dürfte.

Damit ergibt sich aber eine Lesart der Hintergründe für das Abkommen der OMV mit Abu Dhabi, die sich von der "offiziellen", durch österreichischen Medien verbreiteten, Version stark unterscheidet. Es scheint, dass Abu Dhabi, das als Großaktionär 24,9 Prozent der OMV-Aktien hält, gesehen hat, wie die OMV unter ihrem Vorstandsvorsitzenden Rainer Seele (vormals BASF/Wintershall) im Schlepptau von BASF/Wintershall mehrere Milliarden US-Dollar für finanziell riskante Projekte mit dem russischen Gazprom-Konzern (zum Beispiel Juschno-Russkoje, Nord Stream 2, Urengoy Asset Swap) ausgegeben hat und weiterhin ausgeben wird.

Es liegt nahe, dass Abu Dhabi sicherstellen wollte, dass nicht nur Russland und Gazprom, sondern auch seine eigene, finanziell bedrängte Ölfirma Adnoc (Abu Dhabi National Oil Company) gehörige finanzielle Unterstützung aus Österreich bekommt. Man möge dabei auch bedenken, dass Russland als Freund und Protektor der iranischen Führung auf der einen Seite und die Vereinigten Arabischen Emirate auf der anderen Seite einander in der aktuellen geopolitischen Situation im Nahen Osten eher unfreundlich gegenüberstehen. In dieser Lesart hat der Großaktionär Abu Dhabi die OMV unter Zugzwang gesetzt, etwa so: "Wenn schon Rieseninvestitionen in Russland, das den Iran unterstützt, dann auch bei unserer Adnoc, die jetzt dringend Geld braucht."

Es sieht ganz so aus, als ob die OMV zwischen Gazprom, Abu Dhabi und BASF/Wintershall ausgequetscht wird. Man sollte sich daher also nach dem finanziell enttäuschenden ersten Quartal 2018 der OMV (mit 25 Prozent weniger Gewinn als im ersten Quartal 2017) trotz erhöhter Öl- und Gasproduktion auf weitere karge OMV-Gewinne oder sogar auf Verluste vorbereiten. Auch ihren Kunden wird die OMV wohl bald höhere Preise präsentieren, um die Löcher zu stopfen.

Solche weitreichende Auswirkungen des verstärkten Russland-Engagements der OMV sollten Denkanstöße zum bevorstehenden Staatsbesuch von Präsident Wladimir Putin in Österreich am 5. Juni geben.