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EU-USA - das Ende einer Partnerschaft

Von Michael Gehler

Gastkommentare

Die transatlantischen Beziehungen liegen in Trümmern. Ein Strategiewechsel Europas ist das Gebot der Stunde.


Die USA waren der Geburtshelfer Europas. Der Marshall-Plan half dem Kontinent wieder auf die Beine - nicht ganz selbstlos, zudem war die Teilung Europas eine Folge. EWG und EG dienten als Bollwerk gegen den Kommunismus und den geostrategischen US-Interessen mit der BRD als politisch wichtigstem Frontstaat und ökonomisch stärkstem Partner im Kalten Krieg. Die Nato betrieb der UdSSR gegenüber eine Politik der Abschreckung mit der von den Europäern gewünschten Entspannungspolitik. Mit der Nachrüstung 1982 wurde nach der sowjetischen Afghanistan-Intervention ein Konsens gefunden - innenpolitisch in Europa aber höchst umstritten.

Mit dem Europäischen Währungssystem 1979 vollzog sich eine erste Lösung von der Dollar-Dominanz. Mit dem russischen Truppenabzug aus Mitteleuropa nach 1989 begann die Umgruppierung von US-Einheiten angesichts der neuen "Terrorgefahr" in asiatische Krisenherde, vor allem in ressourcenrelevante Kaukasus- und Schwarzmeer-Regionen. Der Euro ab 2002 schwächte die globale Vorherrschaft des Dollar ab.

Während die USA nach 9/11 auf eine Steigerung des Militärhaushalts setzten, verließ sich die EU auf "soft power" (Diplomatie, Entwicklung, Handel, Kulturdialog). War für die Europäer das militärische Eingreifen gegen die Taliban seit 2001 noch gerechtfertigt, so war die Militärintervention im Irak nicht mehrheitsfähig. Konnte während des Serbien-Kriegs 1999 der Riss im Bündnis noch übertüncht werden, führte die Irak-Krise 2002/03 zur Spaltung der EU und zur Handlungsunfähigkeit der Nato. Die europäischen Bündnispartner fühlten sich von der Führungsmacht getäuscht, denn im Irak fanden sich keine atomaren Massenvernichtungswaffen. Afghanistan wurde indes zur endlosen "mission impossible". Die Nato-Osterweiterung (1999 und 2004) war ein gewisser Abschluss der US-Europapolitik. Mit der Georgien-Krise 2008 und dem Krieg in der Ostukraine seit 2015 stieß sie an Grenzen. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland nutzen vor allem den USA.

Weitere Gräben im Osten aufzureißen, hilft der EU dagegen nicht. Nach den Verwerfungen mit US-Präsident George W. Bush verbesserte sich das Klima unter Barack Obama. Politische Differenzen blieben aber ungelöst, wobei diese die transatlantische Kluft seit 9/11 allein nicht erklären. Es sind inneramerikanische Verschiebungen der politischen Kultur: Vorstellungen von Demokratie, Freiheit, Handel, Menschenrechten und Sicherheit sind nur oberflächlich betrachtet identisch mit den Werten der EU. Entscheidungen auf Verdacht, Folter auf Guantanamo, Protektionismus, Krieg als Mittel der Politik, Klimawandel, Todesstrafe und Unilateralismus markieren die Unterschiede.

Das Zusammenwachsen der EU mit dem Zwang zu mehr Solidarität löste auch Solidaritätskonflikte mit den USA aus. TTIP war zwar mehr von EU-Seite gewünscht, scheiterte aber an unterschiedlichen Rechtsauffassungen. Naiv ist es, auf die Zeit nach Donald Trump und eine Rückkehr zu alten Mustern zu setzen. Der noch viel größere Irrtum ist die Fortsetzung einer alternativlosen transatlantischen Politik. Der Abschied von diesem Dogma steht bevor. Ein sorgfältig vorbereiteter Strategiewechsel ist das Gebot der Stunde.

Michael Gehler leitet das Institut für Geschichte an der Universität Hildesheim und ist Jean-Monnet-Professor für vergleichende Geschichte Europas und der europäischen Integration.