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Und der ORF?

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Über die Strategien zu seiner Delegitimierung.


Anlässlich der Medienenquete sollte man festhalten: Es geht derzeit nicht nur um die Abschöpfung von Werbegeldern durch Internetriesen. Es geht auch nicht lediglich um Finanzierungsfragen. Es geht - oder besser: Es sollte auch um eine dringend nötige Debatte zur Legitimität des öffentlich-rechtlichen ORF gehen. Denn eben diese Legitimität wurde in letzter Zeit immer heftiger angegriffen - durch Infragestellung einer seiner Kernkategorie, der Objektivität.

Öffentlich-rechtliche Medien sind Zwitterwesen: Sie berichten über das, was geschieht. Sie liefern Informationen. Aber das alleine macht sie noch nicht aus. Dazu braucht es noch etwas anderes: den Glauben des Publikums an diese Stimme. Erst beides zusammen - Information und Glauben - ergibt Objektivität.

Denn Objektivität kommt nicht nur aus den Fakten. Sie folgt nicht einfach aus wahrheitsgetreuen Berichten. Objektivität bedarf auch der Anerkennung der Stimme als öffentliche Stimme. Sie bedarf der Anerkennung des ORF als Medium der Öffentlichkeit seitens des Publikums. Kurzum: Objektivität bedarf der Glaubwürdigkeit. Ohne Glaubwürdigkeit gibt es keine Objektivität.

Und genau diese ist es, die in letzter Zeit immer heftiger in Frage gestellt wurde. Von Strache bis Steger wurde versucht, die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Mediums zu untergraben. Der Vorwurf lautet: "fehlende Objektivität" - aber er zielt auf die Autorität des ORF. Nicht dass der ORF das Medienparadies wäre. Nicht dass hier keine Fehler passieren würden. Aber diese waren Nichterfüllung des Auftrags, Abweichungen vom Sollen. Nun aber geht es darum, das Prinzip zu verändern.

Indem etwa die Objektivität als Neutralität definiert zum Kampfbegriff gemacht wird. Objektivität wird durch journalistische Kriterien festgelegt - aber getragen wird sie durch einen gesellschaftlichen Konsens. Dieser wird im Kernauftrag des ORF festgelegt. Dort steht: "Aufgabe des ORF ist die Förderung des Verständnisses für alle Fragen des demokratischen Zusammenlebens". Des demokratischen Zusammenlebens. Objektivität bedeutet also nicht Neutralität etwa gegen autoritäre Tendenzen. Etwa bei der Berichterstattung über Wahlen in Ungarn. Das aber ist nicht die "Objektivität, die sie meinen".

Auch Fake News haben solch eine delegitimierende Wirkung: Sie sind nicht nur Falschmeldungen - sie befördern auch den Unglauben an die öffentliche Meinung. Wirksamste Strategie, um solchen Zweifel an der Legitimität zu säen, um den öffentlichen Auftrag zu untergraben, ist die Umbenennung der Gebühren in "Zwangsgebühren". Als ob die kollektive Finanzierung nicht genau diese Öffentlichkeit erst garantieren würde. Man muss jetzt festhalten: Unsere Gebühren sind Beiträge zu einer wesentlichen demokratischen Säule. Sie sind das, was den Unterschied zwischen einem Staatsmedium und einem öffentlichen Medium ausmacht. Nein, es sind keine "Zwangsgebühren" - es sind demokratische Abgaben.

Es geht jetzt nicht um eine weitere Umfärbung des ORF - wie wir schon so viele gesehen haben. Jetzt geht es um mehr. Jetzt geht es um die Delegitimierung einer zentralen öffentlichen Institution.