Zum Hauptinhalt springen

Schwarz-Blau verlässt rot-weiß-roten Erfolgsweg

Von Christian Kern

Gastkommentare
Christian Kern ist Klub obmann der SPÖ. Jeden Dienstag lesen Sie an dieser Stelle den Kommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.

Kanzler Kurz und sein Vize Strache sprechen beim 12-Stunden-Tag und der 60-Stunden-Woche von Freiwilligkeit - aber das sind nur leere Worte.


Kanzler Sebastian Kurz und sein Vize Heinz-Christian Strache haben überfallartig den generellen 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche eingeführt. Sie sprechen dabei von Freiwilligkeit, aber das sind nur leere Worte: Freiwilligkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist für die allermeisten Beschäftigten eine reine Illusion.

Es ist abgehoben, zu glauben, dass eine Kassiererin oder ein Bauarbeiter ihren Chefs einfach sagen können, dass sie heute "leider" keine Überstunden machen können. Diese Form der "Freiwilligkeit" endet in den allermeisten Fällen mit einer Kündigung und dann beim AMS. Selbst Sozialministerin Beate Hartinger-Klein hat jüngst offen zugeben müssen, dass Arbeitnehmer selbstverständlich nicht einfach "Ich will nicht" sagen dürfen, wenn der Chef zum 12-Stunden-Einsatz ruft. Auch im Gesetzesentwurf steht kein Wort von der Freiwilligkeit, die die Regierung behauptet.

Was will die Regierung? Der 12-Stunden-Tag war bisher eine Ausnahme, die dementsprechend entlohnt wurde. Nun wird der 12-Stunden-Tag zur Regel, die vom Arbeitgeber einseitig diktiert werden kann. Die Regierung verabschiedet sich damit endgültig vom bisherigen rot-weiß-roten Erfolgsweg, einen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu suchen. Dieses Modell hat Österreich zu einem der sichersten und wirtschaftlich erfolgreichsten Länder der Welt gemacht. Dafür werden wir weltweit bewundert.

Die Regierung behauptet überdies, dass ihre 60-Stunden-Woche auch schon in meinem Plan A stehe. Die Wahrheit ist: Im Plan A steht ganz klar, dass ein genereller 12-Stunden-Tag jedenfalls abzulehnen ist. Natürlich ist Flexibilität wichtig. Die Sozialdemokratie definiert sich seit ihren Gründungstagen über Leistung. In diesem Sinn will die SPÖ - wenn notwendig und in klar definierten Ausnahmefällen - eine Flexibilisierung bei Arbeitszeiten ermöglichen. Die uneingeschränkte Bedingung für Arbeitszeitflexibilisierung ist jedoch eine innerbetriebliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Seite. Und die volle Entlohnung geleisteter Überstunden.

Ich habe im Plan A ein Modell vorgestellt, das beiden Seiten etwas bringt. Die Beschäftigten hätten damit das Recht auf eine selbstbestimmte Erwerbsbiographie erhalten. Sie hätten das Recht bekommen, von Teilzeit auf Vollzeit zu wechseln, und auch wieder zurück. Weil wir alle wissen, dass das Leben mit familiären Verpflichtungen große Herausforderungen mit sich bringt. Niemand, der in seiner Familie Verantwortung übernimmt, kann immer gleich viel arbeiten.

Ganz anders will es die Regierung: mehr Druck, mehr Arbeit, dafür weniger Freizeit und weniger Geld. Die Regierung wird in den kommenden Wochen alles tun, um davon abzulenken, wie massiv sie Arbeitnehmer in ihren Rechten beschneidet und ihnen das Leben erschwert. Sie wird davon ablenken, dass sie Politik für Konzerne und gegen die Menschen macht. Wer einseitig über die Rechte von Arbeitnehmern drüberfährt, setzt kein Zeichen von Stärke, sondern beweist Unreife und Schwäche. Niemand, der in seiner Familie Verantwortung übernimmt, kann immer gleich viel arbeiten.