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Will Google systemrelevant werden?

Von Oliver Cyrus

Gastkommentare

Nicht die vermeintliche Allgegenwart des Internet-Giganten ist zu fürchten, sondern staatliche Begehrlichkeiten.


Google will eine neue Kommunikationswelt, in der Smartphones, Roboter und Autos verbunden sind, so die These des bekannten "Spiegel"-Autors Thomas Schulz. Kann der Hightech-Konzern ein globales, allumfassendes Betriebssystem schaffen? Geht es nach dem Berliner Suchmaschinenexperten Philipp Klöckner, ist die Zukunft düster: "Ich glaube nicht mehr an Joseph Schumpeters schöpferische Zerstörung. Sie ist im Fall von Google außer Kraft gesetzt. Ich kann mir keine Innovation vorstellen, die gegen die Macht dieses Bestandes an Daten aufkommen könnte." Die schärfsten Kritiker des Konzerns glauben bereits, am Horizont Techno-Diktaturen zu erkennen.

Um systemrelevant zu sein, reichen jedoch Quasi-Monopole nicht aus. Vielmehr sind drei Eigenschaften nötig: die Größe, der Grad der wirtschaftlichen Verflechtung und die Ersetzbarkeit.

Zu groß, um zu scheitern? Googles globaler Marktanteil an Suchmaschinen bleibt ungeschlagen: Er liegt stets über 90 Prozent, während die Konkurrenz (Bing, Yahoo!, Baidu, Yandex RU) es nie über 3 Prozent schafft. Der weltweite Nettoumsatz der Google-Mutter Alphabet betrug 2017 ganze 110,8 Milliarden Dollar, wovon 12,66 Milliarden den Gewinn ausmachten. Der Konzern führt weltweit in den Bereichen Suchanfragen (2016 an die 3,29 Billionen), mobile Betriebssysteme (Android), E-Mail-Dienste (Gmail) und Internet-Browser (Chrome). Asiatische Suchmaschinen muss Google nicht fürchten, denn diese werden im Westen aus sicherheitspolitischen Gründen nie Fuß fassen können. Ungeachtet aller Verfolgungen durch Wettbewerbsbehörden bleibt der Riese auf Kurs.

Zu vernetzt, um zu scheitern? Ganze Industriezweige sind inzwischen vom Such-Algorithmus des Internet-Giganten abhängig. Der Präsident des deutschen Bundesverbandes der Zeitungsverleger, Mathias Döpfner, gab dies 2017 sogar offen zu: "Wir profitieren nicht vom Traffic, den Google uns verschafft - wir sind komplett davon abhängig." Justus Haucap vom Institut für Wettbewerbsökonomie an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität meint dazu allerdings: "Im Internet haben Monopole nur eine begrenzte Lebensdauer. Konkurrenten können mit wenig Kapital ein Gegenangebot schaffen." Letzteres gilt natürlich nur dann, wenn Start-ups Googles exorbitant hohen Übernahmeangeboten widerstehen können.

Zu wichtig, um zu scheitern? Die vielen Google-Projekte im Bildungs- und Forschungsbereich sind nicht nur gesellschaftspolitisch relevant, sie verfolgen vor allem die Erschließung von Neuland im Datenuniversum des Internets. Bis zu 90 Prozent dessen, was im Web steht, findet selbst Google nicht. Wie alle anderen Suchmaschinen bleibt es an der Oberfläche. Im "Deep Web" gibt es Bereiche, wo Suchmaschinen mittels Passwörtern ausgeschlossen sind.

Trotz Googles Lobbying-Rekordausgaben könnten in ferner Zukunft der US-Kongress und das Justizministerium die Suchmaschine als öffentlichen Versorger einstufen, um ihn dann zu regulieren. Damit käme der Staat dem gewaltigen Datenschatz bedrohlich nahe. Nicht Googles vermeintliche Allgegenwart ist zu fürchten, sondern staatliche Begehrlichkeiten.

Oliver Cyrus ist freier Journalist und Publizist. Er schreibt regelmäßig zu Themen der internationalen Politik.