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Rumänien - das vergessene Sorgenkind

Von Paul Mychalewicz

Gastkommentare
Paul Mychalewicz ist Historiker, AHS-Lehrer für Englisch und Geschichte sowie Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Wien.

Warum kümmert sich die EU um die Situation in Rumänien nicht mindestens so intensiv wie um jene in Polen?


Polen, Ungarn und - in geringerem Ausmaß - die Slowakei sind in ständigem Fokus internationaler Kritik wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit. Ein Land kommt in dieser Blacklist, wenn man nach allgemeiner Aufmerksamkeit schließen darf, nicht vor: Rumänien.

Dabei verlief die Geschichte ab 1989 in diesem Land schon von allem Anfang an viel turbulenter als in den anderen postkommunistischen Staaten. Nirgendwo sonst floss so viel Blut, und nirgendwo sonst waren auch die neuen Machthaber so sehr Teil des alten Regimes. Bei allen wirtschaftlichen Erfolgen, die es nicht zuletzt aufgrund von ausländischen Investitionen seither gab, war das Land von politischer Instabilität und geradezu unglaublicher Korruption geprägt.

Die Verbindung von Geschäft - euphemistisch meist "Business" genannt - und Politik wurde zum beherrschenden Erscheinungsbild. Eine geradezu beängstigend große Gruppe von Personen sah darin ihr Erwerbsmodell. Gesetze wurden dabei als lästiges Hindernis gesehen, über das man sich behände hinwegsetzen konnte.

Diese Methoden wurden von der Bevölkerung aber nicht einfach hingenommen, sondern die Straßen Bukarests waren immer wieder Schauplätze von Massendemonstrationen. Dieser Widerstand war auch keineswegs erfolglos, sondern bewirkte etwa 2013 die Einsetzung der Antikorruptionsbehörde DNA. 2014 wurde, von einer breiten Bürgerbewegung getragen, Klaus Johannis mit dem erklärten Ziel der Korruptionsbekämpfung zum Präsidenten gewählt. Sein Gegenkandidat in der Stichwahl war der damals amtierende Ministerpräsident Victor Ponta. Dieser stand an der Spitze einer langen Liste von höchstrangigen Politikern, die von der DNA vor Gericht gebracht wurden.

Die politische Klasse schlug jedoch zurück. Wie in Polen wurden fragwürdige Justizgesetze eingebracht, gegen die die EU-Kommission bereits massive Einwände erhoben hat. Schließlich erzwang Anfang Juli des heurigen Jahres das von linksgerichteten Regierungen entsprechend mit Richtern ihres Vertrauens besetzte Höchstgericht die Entlassung der seit fünf Jahren amtierenden Leiterin der DNA, Laura Codruta Kövesi. Ebenso sah sich zehn Tage danach Präsident Johannis gezwungen, eines der drei vom rumänischen Parlament bereits beschlossenen Gesetze zu unterzeichnen, von dem er die Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz befürchtet.

Die ganze Unverfrorenheit der amtierenden Regierung zeigt sich in einer Verordnung, durch die Korruption bis zu einem Betrag von 44.000 Euro erlaubt wird. Letztlich sollen möglichst viele Antikorruptionsmaßnahmen ausgehebelt werden. Der Drahtzieher all dieser Machenschaften ist der sozialdemokratische Parteichef Liviu Dragnea, der nach seiner Verurteilung wegen Wahlbetrugs als Vorbestrafter selbst nicht Ministerpräsident werden kann. Er spielt eine Rolle im Hintergrund wie Jaroslaw Kaczynski in Polen, dem man jedoch keine kriminelle Vergangenheit vorwirft.

Warum kümmert man sich um die Situation in Rumänien nicht mindestens so intensiv wie um jene in Polen?