Zum Hauptinhalt springen

Die Südtiroler sind kein italienischer Staatsbesitz

Von Bruno Hosp

Gastkommentare
Bruno Hosp war Landesrat in Südtirol und ist Vorsitzender des SVP-Clubs der ehemaligen Mandatarinnen und Mandatare in Bozen. Seine seine Promotion als Staatswissenschafter erlangte er 1967 mit einer Dissertation über Grundfragen der Autonomie Südtirols. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Eine doppelte Staatsbürgerschaft kann Vorteile für beide Länder haben.


Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache haben mit dem überholten Denken der Vergangenheit aufgeräumt und im Koalitionsprogramm klar festgelegt: "Im Geiste der europäischen Integration" sollen die Deutschen und Ladiner Südtirols auch die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben können.

"Es ist ein sehnlicher Wunsch vieler Südtiroler, die österreichische Staatsbürgerschaft als Zeichen ihrer Verbundenheit mit dem historischen Vaterland Österreich wiederzuerlangen", schrieben 28 ehemalige SVP-Mandatare im November 2017 an die Koalitionspartner.

Die beiden Rechtsprofessoren Walter Obwexer und Peter Hilpold von der Universität Innsbruck haben unabhängig voneinander festgestellt: Es gibt keine rechtlichen Hindernisse für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Südtiroler. Der Innsbrucker Rechtsanwalt Franz Watschinger nennt gleich einen einfachen Weg: Es genügt ein Zusatz im österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetz. Die Südtirol-Autonomie wird ohnehin nicht tangiert.

Professor Andrea Carteny von der Universität La Sapienza in Rom erklärte bei einer Pressekonferenz am 27. Jänner in Bozen: "Der Doppelpass ist keineswegs als eine weitere Spaltung der Gesellschaft zu sehen. Er führt unumstritten zu mehr Zufriedenheit der Minderheit. Ein kluges Italien wird das eigene Interesse daran erkennen." Der Bozener Rechtsanwalt, Verfassungs- und Autonomierechtsprofessor Roland Riz (er war auch langjähriger Parlamentarier und Obmann der SVP) meinte dazu im November 2017 Jahres: "Man darf sich nie etwas nehmen lassen, aber ein Mehr soll man immer dankbar annehmen."

Nur noch drei Staaten halten sich an das Europaratsabkommen von 1963 (das Italien 2009 gekündigt hat). Im Folgeabkommen aus dem Jahr 1997 sind Doppelstaatsbürgerschaften möglich. Portugal bietet allen Nachfahren von Auswanderern die Staatsbürgerschaft an (Ley Organica 8/2015). Im brasilianischen Treze Tilias ("Dreizehnlinden", österreichische Gründung) haben mehr als 2000 Einwohner die österreichische Staatsbürgerschaft. Brasilien nutzt dies für vielfältige Verbindungen mit Österreich.

Gewiss gibt es einige italienische Politiker, die den nationalistischen Geist der Vergangenheit nicht loswerden und meinen, sie hätten zu entscheiden. Man kann Mitleid für sie empfinden. Doch die Südtiroler sind kein italienischer Staatsbesitz, sondern freie Bürger mit unverletzlicher historischer und aktueller österreichischer Identität.

So wie die weitherzige und beispielhafte italienische Regelung (Gesetz 91/1992 und 124/2006) bereits für die Italienischstämmigen von Australien bis Istrien Vorteile bringt, so wird die weitherzige österreichische Staatsbürgerschaft die Südtiroler noch viel enger mit ihrem Vaterland verbinden und zugleich Italien ein bereicherndes Element schenken.

Und beide Länder - Österreich und Italien - werden damit in eine noch engere, freundschaftliche Beziehung eintreten - im vielbeschworenen "europäischen Geist", der heutige Grenzen nicht in Frage stellen muss, wenn er sie weitherzig überwindet.