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Die Einschränkung von Handlungsspielräumen

Von Annika Elena Poppe

Gastkommentare

Wir müssen "Shrinking Spaces" besser verstehen, um dem Phänomen begegnen zu können.


Schon seit einigen Jahren debattieren Forscher und Praktiker aus Politik und Entwicklungszusammenarbeit über das Phänomen der "Shrinking Spaces". Dieser globale Trend bezeichnet enger werdende Handlungsspielräume für zivilgesellschaftliche Akteure vornehmlich in Autokratien im globalen Süden, zunehmend aber auch in etablierten Demokratien. Das Spektrum an Maßnahmen, das Regierungen nutzen, um zivilgesellschaftliche Aktivität einzuschränken, ist sehr breit. Es reicht von der Errichtung bürokratischer Hürden und der Einschränkung von Meinungsfreiheit und Versammlungsrecht über Gesetze, die Finanzierung aus dem Ausland verbieten, bis hin zu Organisationsverboten und der Bedrohung von Leib und Leben Einzelner.

Menschenrechte und Demokratie einfordern

Wir beobachten dieses Phänomen seit einigen Jahren vor allem im Zusammenhang mit dem Erstarken autoritärer Herrschaftssysteme, die Demokratien zunehmend die Stirn bieten, und es fügt sich nahtlos ein in die Debatte um das Ende des "Endes der Geschichte", das Yoshihiro Francis Fukuyama nach dem Kalten Krieg proklamierte. Auf Burg Schlaining trafen sich im heurigen Juli zur 35. Sommerakademie des Austrian Study Centre for Peace and Conflict Resolution (ASPR) Interessierte aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik, um dieses Thema kritisch zu beleuchten.

Es ist wichtig, sich insbesondere in einer Zeit, in der die "Rückkehr der Geopolitik" proklamiert wurde, intensiv mit Menschenrechten und Demokratie zu beschäftigen und diese einzufordern. Die internationale Förderung von Zivilgesellschaften, wie auch zuvor schon die internationale Förderung von Demokratie, ist massiv in Frage gestellt - und es gilt, auf diese Herausforderung adäquate Antworten zu entwickeln.

Um dies zu tun, ist es aber auch wichtig, die Hintergründe und Bedingungen für "Shrinking Space" zu kennen, einem einfachen Schwarzweißdenken zu widerstehen und den eigenen Beitrag der "westlichen" Staaten zu reflektieren. Was müssen wir bei der Suche nach Antworten auf "Shrinking Space" besonders beachten?

Rechtfertigungen sind oft nicht leicht von der Hand zu weisen

Der offensichtlichste Grund für die Einschränkung von Handlungsspielräumen ist die Sorge um den eigenen Machterhalt autoritärer Eliten, die sich durch eine erstarkende, organisierte Zivilgesellschaft bedroht sehen. Die sogenannten Farbrevolutionen (Rosenrevolution in Georgien 2003, Orange Revolution in der Ukraine 2004, Zedernrevolution im Libanon und Tulpenrevolution in Kirgisien 2005) sowie der Arabische Frühling haben ihnen gezeigt, dass auch tief verankerte Herrschaftsstrukturen ins Wanken geraten können. Allerdings führen Regierungen in ihren öffentlichen Rechtfertigungen für die Einschränkung von internationaler Zivilgesellschaftsförderung in aller Regel Gründe an, die nicht so einfach von der Hand zu weisen sind: das Recht auf nationalstaatliche Souveränität sowie das Selbstbestimmungsrecht der Völker und damit verbunden die Ablehnung illegitimer Einmischung von außen.

Diese Verweise auf Kernprinzipien des Liberalismus mögen hier und da vorgeschoben sein. Sie aber pauschal als Feigenblatt für repressive Politik abzutun, greift zu kurz. Es gibt starke Indizien dafür, dass die Sorge vor Kontrollverlust und Einmischung durch externe Mächte oft genuin ist. Wenn auch nicht selten durch die Regierung instrumentalisiert und aufgebauscht, wird diese Haltung außerdem gespiegelt und gestützt durch die Stimmungslage in der Bevölkerung. Dass das so ist, hängt nicht zuletzt mit dem asymmetrischen globalen Kontext, in dem internationale Zivilgesellschaftsförderung eingebettet ist, zusammen. Die Mehrheit der "Shrinking Space"-Staaten des globalen Südens ist geprägt durch Erfahrungen des Kolonialismus, der (wirtschaftlichen) Ausbeutung und einer starken Abhängigkeit durch Staaten des Westens. Diese Erfahrungen prägen auch heute noch das Verhältnis zu vielen sogenannten Geberstaaten, deren Absichten die südlichen Nehmerstaaten verständlicherweise kritisch beäugen.

Wer ist die Zivilgesellschaft,die man fördern möchte?

Viel stärker als bisher müssen sich also diejenigen von uns, die sich gegen "Shrinking Spaces" einsetzen, mit den Argumenten und Hintergründen für die Einschränkung von zivilgesellschaftlichen Handlungsspielräumen auseinandersetzen. Dazu gehört auch, sich im Einzelfall zu fragen, wer genau denn die Zivilgesellschaft ist, die man fördern möchte. Wofür stehen die jeweiligen zivilgesellschaftlichen Organisationen, wen repräsentieren sie, wie unabhängig sind sie, wer oder was befördert ihre Legitimität?

Auch sollten sich insbesondere die Staaten, die sich dem Ziel der Zivilgesellschaftsförderung in anderen Ländern verschrieben haben, kritisch fragen, inwiefern sie aktiv oder passiv die "Shrinking Spaces" befördern. Jenseits klassischer wirtschaftlicher Interessen haben westliche Staaten besonders im Lichte der sogenannten Flüchtlingskrise Repressionsmaßnahmen ihrer autoritären Partner gerne hingenommen. Demokratien haben außerdem - befeuert insbesondere durch das Erstarken des Populismus sowie die Auswüchse der Terrorismusbekämpfung - zunehmend mit ihren eigenen "Shrinking Spaces" zu kämpfen und damit einen massiven Glaubwürdigkeitsverlust als Verfechter freiheitlicher Werte erlitten.

Es ist eine Herausforderung, im Lichte dieser Komplexitäten nicht den Mut zu verlieren. Mit einer verstärkten Auseinandersetzung mit den vielen Facetten des Phänomens und einer klareren eigenen Positionierung sollten wir uns aber weiterhin mit Nachdruck für eine Öffnung und sinnvolle Regulierung zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume einsetzen - vor der eigenen Haustür ebenso wie global.

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