Zum Hauptinhalt springen

Über rechte Träumer und linke Pragmatiker

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

"Ausbildung statt Abschiebung": Humanistischer Pragmatismus ist gefragt.


Es gibt in der öffentlichen Debatte ein wiederkehrendes Muster: Rechte erheben den Vorwurf, linke Gutmenschen würden alles moralisieren. Ein merkwürdiger Vorwurf. Wann wird Moral eigentlich zu einem Manko? Wenn sie als humanistische Träumerei denunziert wird, die sich nicht den konkreten Tatsachen stelle. Wenn moralische Argumente als realitätsfremde Spinnereien diskreditiert werden.

Keine Sachargumente. Keine Pragmatik. Nur ein "Hypermoralismus", der alles moralisiere - und damit zum "Gesinnungsterror" wird.

Ein Diskursmuster, das vor allem in der Asylpolitik beliebt ist. Auch da lautet die Schlachtordnung: Pragmatik gegen Moral. Realitätssinn gegen linke Spinnereien. Sachdebatte statt humanistischer Sentimentalität.

Nun gibt es einen Konflikt um jene rund 1000 Asylwerber, die eine Lehre absolvieren. Seit 2012 ist solch eine Ausbildung für Asylwerber bis zum Alter von 25 Jahren erlaubt. In Mangelberufen. Und nur, wenn es keine österreichischen oder bereits ansässige migrantische Bewerber für diese Lehrstelle gibt. Also nur, wenn der Asylwerber niemandem etwas wegnimmt - und noch dazu einen Mangel behebt: den Mangel an Lehrwilligen und somit den Fachkräftemangel.

Und genau dieses für alle Seiten gewinnbringende Projekt wird jetzt seitens der Regierung unterbunden. Es ist schon zu ersten Abschiebungen gekommen - direkt vom Lehrplatz weg. Rudi Anschober, grüner Integrationslandesrat in Oberösterreich, hat nun unter dem Namen "Ausbildung statt Abschiebung" eine Initiative gestartet, um das Projekt zu retten.

Interessant ist, wie sich in dieser Situation die Diskursordnung verkehrt: Da gibt es auf der einen Seite linke "Träumer", die gemeinsam mit der Wirtschaft - in seltener Allianz - eine ganz sachliche Lösung für mehrere Probleme gleichzeitig entwickelt haben. Asylwerber erhalten eine Beschäftigung (statt untätig aus ihren Asylbescheid zu warten), eine Ausbildung, eine Integrationsmöglichkeit. Und die Wirtschaft erhält jene Arbeitskräfte, deren sie bedarf.

Wir haben hier also nüchternen Pragmatismus - und keine moralischen Träumereien. Sachliche Lösungen statt reiner Menschlichkeit. Man könnte angesichts dieser Allianz von einem humanistischen Pragmatismus sprechen. Wir alle stehen vor der Herausforderung, "globale Konflikte lokal lösen zu müssen", wie Zygmunt Bauman es genannt hat. Humanistischer Pragmatismus scheint dabei ein gangbarer Weg.

Aber auf der anderen Seite steht die Regierung, die ebendiesen Pragmatismus erbittert abwehrt. Was aber bedeutet diese Abwehr?

Sie bedeutet, dass die andere Seite keine pragmatischen Lösungen will. Es sind die Rechten, die heute diese Botschaft aussenden: Wir wollen keine Pragmatik und wir wollen keine Lösungen. Es sind die Rechten, die nun auf dem Ideellen bestehen. Und dieses Ideelle lautet: Wir wollen das Fremde abwehren - nicht integrieren. Wir wollen das unhintergehbare Faktum der Pluralisierung rückgängig machen. Sie sind es, die in dieser Konfrontation einer Illusion jenseits aller Pragmatik nachhängen - der Illusion der Re-Homogenisierung der Gesellschaft. Unversehens wurden die Rollen getauscht: Sie sind zu rechten Träumern geworden.