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Fairness bei Crowdwork

Von Martin Risak

Gastkommentare
Martin Risak ist ao.Universitätsprofessor am Institut für Arbeits- und Sozialrecht derUniversität Wien.Eine detaillierte Fassung dieses Textes ist alsPolicy Brief bei derÖsterreichischenGesellschaft fürEuropapolitik (ÖGfE)erschienen:oegfe.at/policybriefs. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Europa muss auch Plattformarbeitende schützen.


Dienstleistungen werden immer häufiger über Plattformen organisiert, die diese in der Regel preisgünstig und in guter Qualität liefern: Wir bestellen unser Essen über Zustellungsplattformen wie Foodora, lassen uns statt mit dem Taxi mit Uber chauffieren, und Bürotätigkeiten werden für uns über Clickworker oder Amazons Mechanical Turk erledigt. Und dieses Marktsegment wächst. Laut einer soeben publizierten Studie im Auftrag der EU-Kommission wird davon ausgegangen, dass derzeit europaweit durchschnittlich 2 Prozent der Erwerbsbevölkerung über Plattformen arbeiten und dadurch 50 Prozent ihres Einkommens beziehen, Tendenz steigend.

Bei der Plattformarbeit (Crowdwork) wird eine Dienstleistung nicht direkt im zweipersonalen Verhältnis zwischen Leistungserbringer und Leistungsempfänger erbracht, sondern unter Zwischenschaltung von Plattformen. Nach Leistungserbringung erfolgt dann eine Bewertung durch die Leistungsempfänger. Diese Bewertungen (Ratings) dienen zur Leistungskontrolle und zur Orientierung für zukünftige Leistungsempfänger. Sie führen auch dazu, dass Plattformarbeitende - obwohl sie nur für einzelne Aufträge herangezogen werden - so arbeiten wie in einer durchgehenden Vertragsbeziehung.

Die so funktionierenden Geschäftsmodelle haben bei allem Nutzen für die Kunden oft das Problem, dass die Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten nicht immer gut sind: niedrige Löhne, hohe Unsicherheit über zukünftige Aufträge sowie über den rechtlichen Status sowie zum Teil unfaire Bewertungen und mangelnde Mobilität. Was kann vor diesem von mangelnder Rechtssicherheit geprägten Hintergrund getan werden, damit auch bei Crowdwork gute Arbeit gewährleistet ist?

Es ist naheliegend, für die Plattformarbeit - ähnlich wie bei der ebenfalls dreipersonal angelegten Leiharbeit - eine eigene rechtliche Grundlage zu schaffen, die die spezifischen Probleme in diesem Zusammenhang anspricht und regelt. Wegen der grenzüberschreitend angelegten Geschäftsmodelle sind hier nationale Regulierungen nur begrenzt wirksam - nur eine europaweit einheitliche Mindestvorschrift, eine EU-Richtlinie zur Plattformarbeit, kann zumindest europaweit für faire Wettbewerbsbedingungen (ein "level playing field") sorgen und das Funktionieren des Crowdwork-Binnenmarktes gewährleisten.

Deren Kernbestimmung sollte die (widerlegliche) Vermutung eines Arbeitsverhältnisses zur Plattform sein, da nur so sichergestellt werden kann, dass scheinselbständige Plattformbeschäftigte ihren Status als Arbeitnehmer auch tatsächlich durchsetzen können. Weitere Regelungen sollten jedenfalls die Transparenz, die Richtigstellungsmöglichkeit und die Portabilität von Bewertungen der Crowdworker, die Klärung der Verantwortlichkeiten und ein Katalog mit verbotenen Vertragsklauseln sein.

Gerade die österreichische Ratspräsidentschaft könnte im Sinne ihres Mottos "Ein Europa, das schützt" hier durch entsprechende Initiativen dazu beitragen, dass auch für Plattformarbeitende dieses Versprechen wahr wird.