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Die Enteignung der Leistungsfähigen

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Warum es nichts mit Gerechtigkeit zu tun hat, wenn kleine Pensionen viel stärker erhöht werden als höhere Renten.


Die meisten Österreicherinnen und Österreicher werden es wohl als irgendwie "gerecht" verstehen, wenn die türkis-blaue Bundesregierung demnächst die kleineren Pensionen deutlich stärker anheben wird als die etwas höheren Renten. Wer weniger als 1115 Euro pro Monat bezieht, wird 2,6 Prozent mehr bekommen, wer zwischen 1501 Euro und der ASVG-Höchstpension von 3402 Euro liegt, bekommt bloß die Inflation von (offiziell) 2 Prozent abgegolten.

Nun wird kein vernünftiger Mensch den Beziehern schmaler Renten einen Aufschlag von plus/minus
30 oder 40 Euro pro Monat neiden oder nicht gönnen wollen; von derartigen Beträgen leben zu müssen, ist wohl eher kein besonderes Vergnügen.

Und trotzdem hat die ungleiche Anhebung der Pensionen durch Türkis-Blau bei etwas genauerer Betrachtung mit "Gerechtigkeit" nichts zu tun. Man kann sie als sozial gerechtfertigt verstehen - aber das ist halt etwas völlig anderes.

Denn mit der Bevorzugung kleiner und der (relativen) Benachteiligung größerer Pensionen - wie das übrigens auch die meisten früheren Regierungen gleich welcher Couleur gehandhabt haben - wird aus mathematisch-logischen Gründen langfristig eine Art Einheitspension angesteuert, deren Höhe dann weitgehend unabhängig ist von der Höhe der in einem langen Arbeitsleben eingezahlten Versicherungsbeiträge.

Im Grunde ist das nichts anderes als eine teilweise Enteignung jener, die - aus welchen Gründen auch immer - in ihrem Erwerbsleben einen besonders hohen Beitrag zur Finanzierung des Sozialstaates geleistet haben.

Man kann das, eine entsprechende ideologische Grundierung vorausgesetzt, politisch für wünschenswert halten - aber mit "Gerechtigkeit" hat das ungefähr so viel zu tun wie ein bewaffneter Bankraub.

Dass Regierungen trotzdem immer wieder so agieren, dürfte deshalb weniger einem etwas degenerierten Gerechtigkeitsbegriff geschuldet sein denn einer profunden Kenntnis der sozialen Struktur dieses Landes. Und dort zeigt sich schnell, dass mehr als eine Million Bezieher kleiner Renten gleichbedeutend sind mit mehr als einer Million potenzieller Wähler - egal, wer gerade regiert.

Genau deshalb verlangt ja die oppositionelle SPÖ nun gar eine Anhebung der Minipensionen um mehr als 3 Prozent - was mit "Gerechtigkeit" noch weniger kompatibel wäre, aber vermutlich unter polit-opportunistischen Gesichtspunkten noch besser wirkt.

Nun ist nicht weiter überraschend, dass Sozialdemokraten der Versuchung nicht widerstehen können, die Frage der "Gerechtigkeit" von Pensionserhöhungen eher populistisch anzugehen. Von einer sich selbst als eher rechts/bürgerlich verstehenden Regierung hingegen wäre eigentlich zu erwarten, den Gedanken der Leistungsgerechtigkeit nicht ganz aus den Augen zu verlieren, anstatt jene pekuniär zu bestrafen, die einen besonders hohen Beitrag zur Staatsfinanzierung geleistet haben.

Vor allem dann, wenn die aktuellen Umfragewerte einer Regierung so gut sind, dass etwas mehr Mut nicht so wirklich lebensgefährlich erscheint.