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Ist Inflation gut oder böse?

Von Christian Nemeth

Gastkommentare

Zentralbanken und ihre Zinspolitik.


Anstatt die Inflation in Schach zu halten, ringen viele Zentralbanken seit der Finanzkrise mit einer zu tiefen Inflation. Gerade in einem solchen Umfeld kann sich eine höhere Inflationsdynamik kurzfristig positiv auf den Wert einer Währung auswirken. Langfristig verlieren jedoch Währungen mit hohen Inflationsraten an Wert.

Inflation beschreibt prinzipiell den Kaufkraftverlust, von dem eine Währung über die Zeit betroffen ist. Sie ist das Gegenteil von Deflation, des anhaltenden Rückgangs der Preise. Für Zentralbanken käme eine Deflation einem Horrorszenario gleich, weil Firmen und Unternehmen ihre Nachfrage in die Zukunft verschieben. Das hätte zur Folge, dass das Wirtschaftswachstum massiv gehemmt würde. Außerdem stiege bei einem sinkenden Preisniveau der Realwert der Staatsschulden an, was deren Bedienung erschweren würde. Insbesondere hochverschuldete Staaten kommen in so einer Situation rasch unter Druck.

Während in der Vergangenheit häufig zu hohe Inflationsraten im Fokus standen, kämpfen seit der Finanzkrise viele Zentralbanken mit einer zu geringen Inflation. Um die Inflation in den gewünschten Bereich von rund zwei Prozent zu bringen, haben die wichtigsten Zentralbanken das Finanzsystem seit 2008 mit Geld geflutet. Insgesamt haben die Fed, die EZB, die Bank of Japan sowie die Bank of England mit Wertpapierkäufen in der Höhe von mehr als elf Billionen US-Dollar ihre Bilanzsummen fast vervierfacht.

Während die Fed ihr Ziel der langfristigen Verankerung der Inflationsrate um die Zwei-Prozent-Marke nachhaltig erreicht haben dürfte, ist die EZB noch ein Stück weit davon entfernt und hat sich noch immer nicht von ihrer ultraexpansiven Geldpolitik verabschiedet. Zwar möchte sie ihr Anleihekaufprogramm mit Ende 2018 stoppen, mit einer Erhöhung der Leitzinsen ist aber nicht vor dem Sommer 2019 zu rechnen.

In einem Umfeld, in dem die Inflationsraten tendenziell eher zu niedrig als zu hoch sind, gewinnen Währungen an Wert, wenn die Raten die Erwartungen übertreffen. Eine höhere Inflationsrate wird in diesem Umfeld als Anzeichen anziehender Wirtschaft interpretiert. In so einem positiven Szenario haben Investitionen bessere Erfolgschancen, was wiederum die Währung attraktiver macht.

Höhere Zinsen steigern den Wert der Währung

Steigt die Teuerung in Richtung des Inflationsziels, reagieren Notenbanken meist mit einer Zinserhöhung. Höhere Zinsen machen die Währung wiederum attraktiver für Anleger, wodurch ihr Wert steigt. In den vergangenen Wochen war diese Entwicklung sehr schön auch beim US-Dollar zu beobachten. Ein Umfeld mit starkem Wirtschaftswachstum, anziehenden Inflationsraten und steigenden Leitzinsen hat den Wert des US-Dollars gegenüber dem Euro seit März von 1,24 auf 1,16 ansteigen lassen.

Allerdings kann die Stimmung auch kippen - mit der Zeit werden Währungen durch eine höhere Inflation belastet. Ganz besonders betrifft dies Währungen von Ländern mit Inflationsraten jenseits der zehn Prozent. Beispiele der jüngeren Vergangenheit dafür sind Argentinien oder die Türkei. Die Abwertung der Währung erfolgt dabei aber nicht laufend, sondern in Wellen. Wenn das Vertrauen der internationalen Investoren verloren geht, ziehen sie ihr Geld ab, und es geht mit der Abwertung sehr schnell. Die türkische Lira hat etwa innerhalb von nur drei Monaten fast 20 Prozent eingebüßt, der argentinische Peso hat seit Ende April mehr als 25 Prozent seines Wertes verloren.

Typischerweise liegt in Industriestaaten die Inflation aber deutlich tiefer. Die Raten sind insbesondere seit Mitte der 1980er zurückgegangen und auch die Schwankungen der Preissteigerungen haben sich sichtlich verringert. Ein wesentlicher Grund dafür stellt nicht zuletzt die Fokussierung der Zentralbanken auf Preisstabilität dar. Aufgrund ihrer gestiegenen Glaubwürdigkeit, die ihrer größeren Unabhängigkeit zu verdanken ist, können sie das Ziel auch langfristig verfolgen. Als erstes Industrieland führte Neuseeland 1989 ein explizites Inflationsziel von zwei Prozent ein. Damals noch eine eher heuristische Größe, wurde dieses Inflationsziel in der Folge von vielen Zentralbanken übernommen.

Inhaber von Aktiensind im Vorteil

Auch aus Anlegersicht muss man bei den Auswirkungen der Inflation auf das Anlageergebnis auf verschieden Aspekte achten. Steigende Inflation wirkt sich kurzfristig auf Anleiheninvestoren negativ aus, sie lässt die Zinsen steigen und führt zu Kursverlusten. Langfristig sind jedoch höhere Zinsen attraktiv, aber auch hier sollte man auf die Realverzinsung schauen. Auch hohe Zinsen bringen dem Anleger wenig, wenn die Inflation alles auffrisst.

Inhaber von Aktien sind - abhängig vom aktuellen Inflationsniveau - im Vorteil. Steigt die Inflation aufgrund des Wirtschaftswachstums, legen die Unternehmensgewinne zu, und die Aktien können sich gut entwickeln. Wirkt sich die Inflation aber über rasch steigende Zinsen und höhere Refinanzierungskosten bereits negativ auf die Unternehmensgewinne aus, ist das auch für Aktien nicht förderlich. Davon ist man derzeit aber entfernt. Selbst die USA, die Europa im Konjunkturzyklus voraus sind, befinden sich noch in der ersten Phase. Die Unternehmensgewinne brummen.

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