Zum Hauptinhalt springen

Ein Verbrechen gegen unsere Kinder

Von Kurt Ruppi

Gastkommentare

Ansichten eines Normalbürgers zum Klimawandel.


Klima, CO2 und Wetter gehörten zu den Hauptthemen des heurigen Sommers. Am meisten gestritten wird in diesem Zusammenhang über den Anteil der menschlichen Aktionen am Treibhauseffekt. Die Streithähne sind in verschiedenen Gruppen beheimatet: Wissenschaftler, Lobbys, Politiker . . . Hier entstehen die Meinungsverschiedenheiten und das eitle Hickhack unter Akademikern. Als Bürger, der sich selber auch Gedanken macht, habe ich eine eigene Meinung.

Die Erde ist zwar ein kleiner Planet, klein genug, dass sie außen nicht mehr glüht. Aber sie ist bei weitem groß genug, dass sie an ihrer Oberfläche, der äußersten Schicht (Dicke 15 Kilometer in Boden, Wasser und Luft) unvorstellbar vielfältigem Leben Platz bietet. Sie hat eine Atmosphäre mit einer mittleren Jahrestemperatur von 15 Grad Celsius, die in diesem natürlichen Treibhaus optimal ist. Sie hat eine Oberfläche, die auf verschiedene Art die Strahlung ihrer Sonne aufnimmt: viel Festland, das im Allgemeinen die Wärme verwertet; noch mehr Wasser, das einen Teil der Sonnenenergie reflektiert, aber auch als riesiger Speicher dient - und zwar nicht nur für Wärme, sondern zum Beispiel auch für CO2. Und sie hat einen Eispanzer auf den Bergen und den Polen, von dem bis vor kurzem fast alle Energie zurückgestrahlt wurde; in ihrem Inneren hat sie zudem einen sehr heißen Kern, der noch Jahrmillionen lang dafür sorgen wird, dass sich an den gegebenen Temperaturverhältnissen nur wenig ändert. Wichtig ist auch, dass die Oberflächentemperatur des Planeten ununterbrochen um den Gefrierpunkt von Wasser pendelt. Die Erde hat Tag und Nacht, sie hat den Mond und die Gezeiten, und das alles ist dafür mitverantwortlich, dass sie auch Verwitterung und Wetter hat - sonst hätte es vielleicht nie in Wasser gelöste Minerale und in der weiteren Folge Leben gegeben.

Befürchtungenin zwei Richtungen

Die Sorge um das Klima scheint mir berechtigt, aber es geht mehr um das Wetter und seine Auswirkungen als um das Klima der Welt: Niederschläge und Trockenheit. Jeder Bauer weiß das, und die Versicherungen auch. Die Befürchtungen gehen in zwei Richtungen: Einerseits geht es um Schäden durch Starkregen, Muren, Überschwemmungen - Unannehmlichkeiten und Kosten also. Andererseits geht es um die Sorge, ob und um welchen Preis in Zukunft die Ernährung der Menschen sichergestellt werden könnte - auch hier bei uns im Westen, und nicht nur wegen Missernten, sondern auch wegen der Vergeudung fruchtbaren Bodens und der Fragwürdigkeiten der Industriellen Landwirtschaft.

Was ist Wetter? Um mit einem einfachen Vergleich zu beginnen: Kochendes Wasser auf dem Herd - das Wasser im Topf brodelt, ist in Bewegung; Dampfblasen bilden sich am Boden an bestimmten Stellen, die von den Inhomogenitäten der Herdplatte und des Topfbodens abhängen. Sie steigen auf und verlieren sich als Wasserdampf in der Luft. Dieser kondensiert durch die unvermeidliche Abkühlung, fließt oder tropft vielleicht als Wasser wieder ab - das meiste davon außerhalb des Topfes. Das ist alles, ein rein physikalischer Prozess. Und jedermann weiß: Wenn man den Schalter höher dreht, also die Temperatur der Herdplatte und damit des Wassers erhöht, brodelt es stärker, und mehr Blasen steigen auf, Wasserdampf entsteht schneller und an mehr Stellen.

Lebensnotwendigekomplexe Kreisläufe

Das Wetter in unserer Atmosphäre gehorcht den gleichen Gesetzen der Physik und der Chemie, jedoch mit zwei wichtigen Unterschieden: Erstens ist der Temperaturbereich tiefer, es geht um Verdunstung, nicht um Kochen; und zweitens sind die Ausgangsbedingungen viel komplizierter als bei Wasser im Topf. Je nach Bodenbeschaffenheit, Tageszeit und Bewölkung ist die Wärmeübertragung auf die Bodenluft wesentlich chaotischer, damit auch die Turbulenzen in der Atmosphäre. Das Wasser regnet wieder ab, es bleibt im System. Auch die Wirbelbildung spielt eine große Rolle, denn Schwerkraft und Erddrehung erzeugen starke Höhenwinde mit hohen Luftgeschwindigkeiten, die je nach geografischer Breite variieren und starke Drehimpulse verursachen. Komplexe Kreisläufe haben sich gebildet, deren Erhaltung lebensnotwendig ist.

Auch im Wasser sind natürlich solche permanenten Strömungen vorhanden, ähnlich den Höhenwinden und Wirbeln in der Luft (Beispiel Golfstrom). Vom Wetter verursachte Wirbelstürme, Starkregen, Hagel und Ähnliches sind Ausnahmen, die sich jedoch merklich häufen und verstärken. Für mich liegt auf der Hand, dass wir Menschen den zusätzlichen Temperatureintrag zumindest mitverursachen: Wir heizen unsere Häuser, wir verbrennen Kohle, Öl und Holz, wir formen Hitze um zu Dampfdruck und Elektrizität, und letztlich landet jede Energieform seit Jahrhunderten in Atemluft und Wasser.

Diese Abwärme ist nur zu einem kleinen Teil in der Lage, die irdische Atmosphäre zu verlassen. Wärme strahlt zwar ständig aus der Atmosphäre in den Weltraum ab, dieser Prozess wird aber durch den Treibhauseffekt gebremst - und der verstärkt sich merkbar durch Eintrag von Kohlendioxid, Methan, Lachgas . . . Die Atmosphäre wird durch Wind und Wetter ständig durchgemischt, und Kohlendioxid ist in jeder beliebigen Höhe nachgewiesen, angeblich ziemlich gleichmäßig. Meine Meinung ist: Abgase steigen zunächst nach oben, kühlen dabei ab, und erst wenn sich die Temperatur genügend angeglichen hat, beginnen sie wieder zu sinken. Dadurch akkumulieren sich die Abgase in den höheren Luftschichten, und der Treibhauseffekt verstärkt sich. Unser Treibhaus funktioniert in jeder Höhe - es ist kein Glasdach!

Der Mensch dreht leichtam Herdschalter der Erde

Kürzlich kam nun noch in einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimaforschung die fatale Einschätzung der heutigen Situation dazu, dass nämlich viel Schlimmeres droht, wenn noch andere Einflüsse als Kipppunkte wirksam werden, etwa der Austritt von Methan am Meeresboden und im Permafrostboden oder die Abholzung der Regenwälder.

Wer das Schwarzmalerei nennt, sei an Fukushima erinnert: Hätte davor jemand die Befürchtung geäußert, dass ein Erdbeben, ein Tsunami und eine Kernschmelze im Atomkraftwerk zusammentreffen könnten, wäre er glatt für verrückt erklärt worden. Aber Murphys Gesetz ("Alles, was schiefgehen kann, geht auch irgendwann schief!") wirkt.

Nach meiner Meinung entspricht unsere Handlungsweise der leichten Schalterdrehung am Herd. Genau das tun wir seit Jahrhunderten, unbedacht und arglos, aber seit einigen Jahrzehnten wissen wir um das Risiko - und damit wird es zum Verbrechen an der Zukunft unserer Kinder; auch dann, wenn viele es nicht glauben und nicht wahr haben wollen, es bewusst abstreiten, daran sogar noch verdienen wollen.

Wen könnte man wegendes Klimawandels klagen?

Jedem, der seine Kinder permanent solchen Gefahren aussetzt, können sie nach unserem Gesetz weggenommen werden, glaube ich; wenn das aber alle an den Kindern der Zukunft tun . . . Beim Europäischen Gerichtshof haben jetzt zehn europäische Familien stellvertretend für alle Bürger eine Klage eingebracht. Sie ist am 13. August zugelassen worden, EU-Kommission und EU-Parlament haben nun zwei Monate Zeit, um zu reagieren. Beide Institutionen würden "nicht wirksam genug gegen den Klimawandel vorgehen", lautet der Vorwurf - aber ich glaube, dabei wird nichts herauskommen; selbst wenn das Gericht derselben Meinung wäre, was könnten die Konsequenzen sein? Besser wäre es, zum Beispiel die USA und China auf Schadenersatz zu klagen - vorsorglich, für den Fall, dass jemals ein Schaden nachgewiesen werden könnte. Aber dafür müsste man den Internationalen Gerichtshof ansprechen, und der darf nur Klagen eines Staates annehmen.

Kiribati zum Beispiel wäre ein glaubhafter Kläger. Ein Staat aus 33 Korallenatollen, die mittlere Höhe 1,8 Meter über dem Meeresspiegel, 110.000 Einwohner und ein riesiger zugehöriger Anteil des Pazifischen Ozeans. Aber die Frage, ob die beobachtbare Erderwärmung durch den Menschen verursacht wird, zum Teil oder zur Gänze, ist strittig. Und für die Klärung von Fragen, die globale Nebenwirkungen unserer Lebensweise betreffen, gibt es bisher kein Genfer Abkommen, keinen Präzedenzfall; neben der Schadenshöhe für einen Kläger müssten auch eine gewichtete Aufteilung der Schuld festgelegt und Geld aufgetrieben werden (ein Nothilfefonds der UNO eventuell, in den jeder Erdbürger einen Dollar pro Jahr einzahlt?) - was eine völkerrechtliche Übereinkunft voraussetzen würde.

Eine solche Anklage könnte jedenfalls derzeit wohl nicht mehr als ein Zeichen sein.

Zum Autor