Die schwarz-rote Koalition in Deutschland regiert erst seit einem halben Jahr, doch schon jetzt erscheint diese Zweckehe zerrüttet. Misstrauen, Ablehnung und ein rüder Ton herrschen auf allen Seiten. Angela Merkels 13. Jahr im Kanzleramt steht unter keinem guten Stern. Von einer "Großen Koalition" (GroKo) mag man angesichts der in den Keller gesunkenen Umfragewerte nicht mehr sprechen. Unionsparteien und Sozialdemokraten kommen derzeit zusammen auf gerade einmal 45 Prozent der Wählerstimmen: Die Union liegt bei 28 Prozent, die SPD ist mit 17 Prozent hinter die AfD zurückgefallen. Von der Schwäche von SPD und Union profitieren auf der anderen Seite die Grünen. Bei den nächsten Landtagswahlen in Bayern (14. Oktober) und Hessen (28. Oktober) droht den ehemaligen Volksparteien CSU, CDU und SPD ein Debakel.

Konfliktthema Nummer eins ist nach wie vor die Migrations- und Asylpolitik. Vor drei Jahren, im Herbst 2015, hat die Kanzlerin in einer einsamen Entscheidung die Grenzen für Asylbewerber geöffnet - ohne Rücksprache mit den EU-Partnern, nur Österreichs Kanzler Werner Faymann war eingeweiht. Merkels Politik der offenen Tür hat den Zustrom von Flüchtlingen und Migranten gewaltig verstärkt. 2015/2016 kamen weit mehr als eine Million Migranten vor allem aus dem islamisch-arabischen Kulturkreis nach Deutschland, die meisten ohne gültige Passdokumente. Identität und Herkunft konnten bei diesem Massenansturm kaum überprüft werden. Der Bundestag hat nie über diese Asylpolitik abgestimmt, renommierte Verfassungsrechtler zweifelten an der Legalität. Damit hat Merkel nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa gespalten, denn Osteuropa sperrt sich gegen eine erzwungene Verteilung der Migranten nach Quoten.
Extrem gereizte innenpolitische Befindlichkeit in Deutschland
Auch die Koalitionskrise um den Präsidenten des Bundesverfassungsschutzamts, Hans-Georg Maaßen, muss vor der Folie der Asylkrise gesehen werden. Maaßen gehörte zu jenen, die Merkels Politik offener Grenzen von Anfang an sehr kritisch gesehen hatten, die Chefs der Bundespolizei und des Auslandsgeheimdiensts BND waren ebenso besorgt. Der auch für Terrorabwehr zuständige Verfassungsschutz registriert inzwischen eine Rekordzahl von islamistischen Gefährdern, denen Terrorakte zugetraut werden.
Maaßen wagte sich dann vor zwei Wochen mit kritischen Interviewäußerungen zu den Vorfällen in Chemnitz hervor. In der sächsischen Stadt war ein Deutscher bei einem Stadtfest erstochen worden, zwei Asylbewerber aus dem Irak und Syrien sind tatverdächtig. Es kam zu aggressiven Demonstrationen, teils auch zu Attacken auf Ausländer. Maaßen bezweifelte aber, dass es "Hetzjagden" gegeben habe, wie zuvor die Kanzlerin behauptet hatte.