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Passagierwechsel

Von Christina Aumayr

Gastkommentare
Christina Aumayr ist Kommunikationswissenschafterin und Geschäftsführerin von Freistil-PR.
© Felicitas Matern

Warum startet die SPÖ ohne Not nach dem Experiment Christian Kern mit Pamela Rendi-Wagner ein neues Experiment?


Christian Kern hatte alle Chancen. Menschen lieben die große Erzählung am Beginn und am Ende einer Ära. Der Kurzzeit-Kanzler vergeigte leider beide Ereignisse recht fulminant. In der Zeit dazwischen waren justament immer die anderen an Kerns Misserfolgen schuld. Das ist auch eine Art von Fehlerkultur. Im richtigen Moment das Richtige zu tun, ist Kerns Stärke nicht. Statt selbst Neuwahlen auszurufen, gab er Sebastian Kurz das Zepter des Handelns in die Hand - und der versteht sein Handwerk. Von da an ging es bergab. Auf einen verpassten Moment folgten ein handwerklich schlechter, teils blamabler Wahlkampf und der Verlust der Kanzlerschaft. Auf die Niederlage folgte der Schmollwinkel. Auf den Schmollwinkel der verhunzte Rücktritt auf Raten. Da hat doch tatsächlich ein Parteifreund die Pläne des abspringenden Vorsitzenden ausgeplaudert. Nein, wer hätte das vermutet? Eine Partei ist also doch kein Mädchenpensionat? Ein Rückzug drei Wochen vorm eigenen Parteitag wäre aber auch ohne Indiskretion ein Affront der Extraklasse gewesen.

Zwischen Opportunismus und passivem Widerstand

Kerns Politik-Trauma muss bei der SPÖ ein ebensolches Kern-Trauma ausgelöst haben. Anders ist nämlich nicht zu erklären, dass sich diese einst stolze Arbeiterpartei von Kern am Nasenring durch die Manege ziehen lässt. Hätte diese Partei noch so etwas wie Haltung, hätte man Kern wegen parteischädigenden Verhaltens (und Erfolglosigkeit) verabschieden müssen. In den Reihen der SPÖ reicht es aber nur mehr zum Hinterhalt, während zum Konflikt mit offenem Visier das Rückgrat fehlt.

Und was sagt es über eine Partei aus, dass just jener Akteur, der bisher so jede Strategiefähigkeit vermissen ließ, jetzt auch noch über die Nachfolge entscheidet? Wenn Kern in den letzten zwei Jahren etwas bewiesen hat, dann, dass er keine vernünftigen Personalentscheidungen treffen kann. Von Niedermühlbichler über Tal Silberstein bis Max Lercher. Aus Platzgründen wird die Liste hier nicht vollständig angeführt. Freilich, der Vorteil an falschen und schwachen Mitarbeitern ist, dass sich immer ein Sündenbock für die eigenen Fehler finden lässt. Dass Kern und sein Umfeld jetzt so aufs Tempo drücken, wundert nicht, denn das Fenster der Einflusssphäre wird täglich kleiner. Jetzt also Pamela Rendi-Wagner.

Der 1. Bezirk ruft zum Klassenkampf

Die ehemalige Gesundheitsministerin hat dabei einige Herausforderungen zu stemmen. Rendi-Wagner ist an der Lebensrealität eines SPÖ-Wählers in etwa so nah dran wie Kern am Berufsleben eines Pizzaboten. Aus dem 1. Wiener Bezirk heraus lässt sich nur halbherzig zum Klassenkampf rufen. Dass Rendi-Wagner erst seit 18 Monaten Parteimitglied ist, wird sich jetzt nicht jedem Funktionär als frischer Wind erschließen, während man selbst seit 20 Jahren für die Partei rennt und im Bürgerkontakt die Watschen kassiert. Aber geschenkt, wären da nicht noch größere Hürden. Die bisher erfolgreichsten Parteiführer des Landes standen für Durchsetzungsfähigkeit, Glaubwürdigkeit und Wirtschaftskompetenz. Charisma ist ein Vorteil, dass es auch ohne geht, wissen wir seit Wolfgang Schüssel.

Ob Rendi-Wagner die Strahlkraft und Durchsetzungsfähigkeit besitzt, die es für diese Aufgabe jetzt braucht, wird sich erst zeigen. Die SPÖ braucht einen schmerzhaften Kraftakt der Erneuerung und kein attraktives Gesicht nach außen. Denn für welches politische Thema steht Rendi-Wagner? Wir wissen es nicht. Ihre Themen als Gesundheitsministerin? Leider nichts in Erinnerung.

Die Persönlichkeitswerte von Rendi-Wagner lagen in ihrer Zeit als Ministerin auf demselben Niveau wie jene von Sophie Karmasin und Andrä Rupprechter. Strahlkraft sieht anders aus.

Eigenliebe und Eigeninteressen vor Parteiloyalität

Dieses Bedenken kennt man auch im roten Osten des Landes. Den Teilorganisationen und Ländern war die Bundespartei bisher so egal wie den Kollegen von der Volkspartei. Der Unterschied ist nur: Die schwarzen Bünde und Länder folgen aus Opportunismus und Eigenliebe einer erfolgsbringenden Nummer eins. Die roten Teilorganisationen und Länder glauben nicht an eine neue Nummer eins, sie besitzen nur genug Opportunismus, um nicht gegen eine von den Medien gehypte Frau ins Feld zu ziehen. Eine Frau zumal, der auf Twitter und in den feministisch besetzten Redaktionen die Herzen zufliegen. Und natürlich brauchen wir mehr Frauen in der Politik. Wir brauchen auch mehr Männer in der Pflege, im Schulbetrieb und der Kinderbetreuung. Dieser Umstand hebt aber die Fragen nach der Eignung nicht auf. Und nein, Attraktivität darf niemandem zum Nachteil gereichen. Dass aber Instagram-Attraktivität nicht reicht, hat Kern gerade bewiesen. Kerns vielzitierte Intelligenz wurde auch nicht in politisch kluge Entscheidungen umgemünzt. Das könnte bei Rendi-Wagner anders sein, bleibt aber abzuwarten.

Kurz und Strache werden gegenüber Rendi-Wagner höflich lächelnd die verständnisvolle Gummiwand geben. Zu einer Konfrontation wird es gar nicht kommen. Diese Strategie dürften auch Ludwig und Doskozil verfolgen. Nur, Letztere hätten eigentlich eine Verantwortung für ihre Partei.