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Eine Gratwanderung im Nahen Osten

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politologe mit Spezialisierung auf internationale Friedens- und Konfliktforschung in Wien. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare
© Steve

Österreichs Neutralität und das Verhältnis zu Israel.


Österreichs Bundesregierung schmückt sich mit dem Prädikat, die pro-israelischste aller Zeiten zu sein. Damit wagt man sich in ein neues Territorium, das angesichts der Konflikte im Nahen Osten einer Gratwanderung gleicht. Ein klares Bekenntnis gegen Antisemitismus ist unerlässlich. Und das nicht nur wegen des Gedenkjahres, sondern gerade zu einem Zeitpunkt, an dem Saudi-Arabien europaweit seinen Einfluss ausdehnt, rechtsnationale Regierungen in der EU Fuß fassen und radikale Kräfte jeder Art erstarken.

Doch der neue Israel-Kurs und die enge Freundschaft, die Kanzler Sebastian Kurz mit Israels Ministerpräsident Benjamin ("Bibi") Netanjahu verbindet, werfen Fragen auf. Netanjahu hat der österreichischen Regierung am Rande der UN-Generalversammlung in New York Lob bekundet. Auch der Bann gegen Außenministerin Karin Kneissl soll von Israel aufgehoben werden, was zwecks diplomatischen Austauschs zu begrüßen ist.

Die Sicherheit Israels als Teil der "Staatsräson" zu sehen, ist nicht neu. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat sich vor Jahren dazu verpflichtet - und wurde dafür vom früheren Kanzler Helmut Schmidt kritisiert: Dadurch mache man sich selbst angreifbar, sollte es zu einem Krieg zwischen Israel und dem Libanon oder dem Iran kommen. Wie wäre das also vereinbar mit Österreichs Neutralität, die zwar immer beschworen, aber von vielen Menschen im In- und Ausland längst nicht mehr so wahrgenommen wird? Die Freundschaft zwischen Kurz und Netanjahu beruhe auf einem Missverständnis, schrieb der österreichische Nahost-Experte John Bunzl. "Für Israel" beziehungsweise "für Netanjahu" zu sein, dürfe man nicht mit "gegen Antisemitismus" gleichsetzen.

Diese Gleichsetzung hat sich aber mittlerweile in mehreren Staaten etabliert. Sie wird als Trumpf ausgespielt, wenn es darum geht, andere Regierungschefs zu vergrämen. Selbst der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman gibt sich auf einmal pro-israelisch - nicht aus Respekt vor den Juden, sondern um gegen den Erzfeind Iran vorzugehen. Wesentlich ist zudem die Frage, wie sich Österreich künftig in den Konflikt zwischen den USA und dem Iran einbringen wird. Seit der Amtsübernahme durch US-Präsident Donald Trump ist das Verhältnis zwischen diesen Staaten nämlich kühl und angespannt.

Trump hat sich erst kürzlich bei einem Treffen mit Netanjahu für eine Zwei-Staaten-Lösung, also die Schaffung eines Palästinenser-Staates, ausgesprochen. Auf diese Lösung hofft auch Kurz, wobei Österreichs Rolle im Friedensprozess nach wie vor unklar ist. So hat sich die Regierung im Einklang mit der EU gegen den Siedlungsbau ausgesprochen. Außerdem gibt es berechtigte geostrategische Bedenken, was die Rückführung der Palästinenser, die genauen Grenzen eines solchen Staates (Westbank und Gaza sind geografisch voneinander getrennt) sowie dessen Verteidigung und Streitkräfte angeht.

Österreich kann als engagierter Vermittler durchaus seinen Beitrag zur Friedenssicherung leisten. Dazu wird es am Ende des Tages allerdings mehr bedürfen als nur symbolischer Solidaritätsbekundungen.