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Das neueste "Kickl-Gate"

Von Isolde Charim

Gastkommentare
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Warum fürchtet sich der Innenminister vor negativer Berichterstattung?


Die Frage, die sich beim neuesten "Kickl-Gate" stellt - also bei dem Mail mit der dringenden Anregung, bei aufgelisteten "kritischen" Medien die Informationspflicht auf Dienst nach Vorschrift zu reduzieren -, die Frage, die sich da aufdrängt, ist: Wieso stört es ihn eigentlich? Wieso stören Kickl negative Berichte oder kritische Meinungen in ebendiesen Medien?

Wie viele FP-Wähler oder auch nur potenzielle FP-Wähler lesen den "Standard"? Wie viele den "Falter"? Beim "Kurier" versteht man die Nervosität schon eher - da ist die Leserschaft breiter und die bisherige Regierungs- und vor allem FP-Kritik tatsächlich ebenso vehement wie in dieser Schärfe unerwartet. Aber da ist mit dem Wechsel der Chefredaktion schon Abhilfe geschaffen worden. Gut - das sogenannte "Kickl-Mail" wurde noch vor diesem Schwenk geschrieben. Das erklärt aber immer noch nicht, was den Innenminister an negativen Berichten im "Standard" oder im "Falter" stört.

Glaubt er an die Überzeugungskraft von deren Argumenten? Fürchtet er, deren negative Berichterstattung könnte potenzielle FP-Wähler abschrecken? Ist er so überzeugt von der Macht von Meinungen? Ist Kickl also ein verkappter Aufklärer?

Und war es bisher nicht vielmehr so, dass Kritik in "Feindmedien" ihn in den Augen seiner Anhänger gewissermaßen geadelt hat? Haben die FPler bislang nicht immer gerade aus der negativen Berichterstattung ihren Mehrwert gezogen - indem diese Darstellungen es ihnen möglich machten, sich als Gegenkraft, als Tabubrecher, als Helden gegen den "Mainstream" zu gerieren? Ist das mit dem Regierungsamt vorbei? Möchte Kickl nun gut dastehen? Und vor wem? Sind die "Standard"-Leser, die "Falter"-Abonnenten sein Publikum? Oder ist es der Koalitionspartner, vor dem er als Staatsmann reüssieren möchte?

Dann aber würde sich mit einiger Vehemenz wieder eine alte Frage stellen: Warum geht er dabei so tollpatschig vor? In der Durchführung ebenso wie in der Verteidigung, nachdem es aufgeflogen ist. Warum verschickt man - auch nicht eigenhändig - ein solches Mail, wo das Gewünschte so explizit schriftlich festgehalten wird? Dummheit? Strategische Naivität - also eben strategielos?

Oder weil es egal ist? Weil Kickl doch mehr als der harte Durchgreifer denn als Staatsmann gelten möchte. Dann wäre der Adressat doch seine Wählerschaft. Und dann wäre das Vorgehen nicht plump und tollpatschig, sondern in der Art gewollt - und das Auffliegen zumindest egal. Dann schaut man einfach, was geht. Wie weit kann man gehen.

Das würde wiederum zu Kickls "Verteidigungslinie" passen: So etwa sein Argument, das Schreiben sei - entgegen der dummen Lesart der Opposition - nicht nur keine Zensur, sondern vielmehr "ein eindeutiger Verweis auf die Auskunftspflicht" gewesen. Es ist einfach umwerfend, eine dringende Anregung zur unterschiedlichen Auskunftspflicht selbst noch einmal unter Pressefreiheit zu subsumieren. Das muss einem erst mal einfallen.

Aber vielleicht fallen einem solche Verkehrungen dann ein, wenn man ein anderes Verständnis von Pressefreiheit hat. Eines das in Analogie zum Demokratieverständnis als gelenkter Demokratie dann genau das wäre: gelenkte Pressefreiheit.