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Ohne (Steuer-)Geld keine Entwicklung

Von Martina Neuwirth

Gastkommentare

Warum beim EU-Afrika-Forum im Dezember auch über Steuerpolitik gesprochen werden sollte.


Der österreichische EU-Vorsitz plant ein europäisch-afrikanisches Wirtschaftsforum. Innovation und Digitalisierung sollen in afrikanischen Ländern vorangetrieben werden. Das ist gut so. Begleitend dazu sollte darauf geachtet werden, dass Investitionen Arbeitsplätze schaffen, Know-how transportieren - und Steuereinnahmen bringen.

Denn afrikanische Länder können Steuergeld gut gebrauchen. Viele Staaten gehören zu den ärmsten der Welt. Diese benötigen besonders viele Ressourcen, um ihre Wirtschaft voranzutreiben, die Infrastruktur aufzubauen, ein funktionierendes Sozialsystem zu schaffen und sich gegen die Folgen der Klimakrise zu wappnen. Bisher hinken die Staatseinnahmen aber diesen Bedürfnissen hinterher: Nur rund 15 Prozent des BIP wandern in die Staatskassen, während Österreich im Vergleich dazu mehr als 43 Prozent an Steuern und Sozialabgaben einhebt.

Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur. Überforderte Steuerbehörden, schwache Rechtssysteme, Steuervergünstigungen, Korruption und fehlender politischer Wille, das Steuersystem zu verbessern, tragen auf nationaler Ebene dazu bei. Kapitalflucht ist ein weiteres Problem. Die an intransparenten Schattenfinanzplätzen angelegten, wahrscheinlich nicht immer versteuerten privaten Finanzvermögen belaufen sich konservativen Schätzungen des Ökonomen Gabriel Zucman zufolge auf gut 8 Billionen Dollar.

Eine Studie von James Henry geht gar von 21 bis 32 Billionen Dollar aus, ein Drittel davon soll aus Entwicklungsländern stammen. Steuerbetrug passiert auch durch Preismanipulationen im Handel: Afrikanischen Ländern entgehen laut UN-Schätzungen dadurch bis zu 60 Milliarden Dollar jährlich. Im Vergleich dazu erhielt die Region 2016 gerade einmal 27 Milliarden Dollar an öffentlichen Entwicklungsgeldern aus OECD-Ländern.

Afrika leidet unter geringen Unternehmenssteuersätzen

Der anhaltende globale Steuerwettbewerb hat die Unternehmenssteuersätze seit 1980 um mehr als 15 Prozent sinken lassen. Denn wenn ein Land Steuersenkungen und -vergünstigungen anbietet, müssen andere mitziehen. Also versuchen selbst die ärmsten Staaten, Investitionen durch Steuerbefreiungen und andere Steuerzuckerl anzuziehen. Das afrikanische Steuergerechtigkeitsnetzwerk hat errechnet, dass alleine vier ostafrikanischen Ländern damit 1,5 bis 2 Milliarden Dollar pro Jahr entgehen. Oft werden dann Konsumsteuern eingeführt oder bestehende erhöht, um die Ausfälle zu kompensieren. Damit werden bereits bestehende Ungleichheiten weiter zementiert, denn solche Steuern belasten Einkommensschwache mehr.

Neben Steuerhinterziehung und Vergünstigungen trägt die Steuervermeidung internationaler Unternehmen zu leeren Staatskassen bei. Nicht nur in Österreich zahlen manche Konzerne kaum Steuern, weil sie durch Schlupflöcher im internationalen System Gewinne über Steueroasen verschieben können. Ein wichtiges Ausfallstor für Afrika ist dabei Mauritius. In einem der "Paradise Papers"-Dokumente erklärte die Anwaltskanzlei Appleby anschaulich, wie eine Firma ihre Steuerschuld in Mosambik um 60 Prozent durch eine zwischengeschaltete Firma auf der ehemaligen Zuckerrohrinsel reduzieren konnte. Längst hat sich auf Mauritius eine Finanzindustrie etabliert, die bemüht ist, das Schmuddelimage einer undurchsichtigen Steueroase loszuwerden. Doch hat Mauritius eine Reihe von bilateralen Steuerabkommen mit afrikanischen Ländern abgeschlossen und bietet sich damit als steuerschonendes Transitland für Unternehmensgewinne an.

Doppelbesteuerungsabkommen zum Vorteil der Europäer

Diese sogenannten Doppelbesteuerungsabkommen zeigen überdies, dass das Problem nicht nur im Ausnutzen selbst der kleinsten Schlupflöcher liegt. Denn sie vermeiden nicht nur Doppelbesteuerung, sondern regeln auch, welcher Vertragsstaat was besteuern darf. Meist eng angelehnt an ein OECD-Modellabkommen, schränken sie Besteuerungsrechte von Ländern, die Investitionen brauchen, zugunsten von Ländern ein, aus denen solche Investitionen kommen. Etwas vereinfacht könnte man im Kontext des Dezember-Gipfels auch sagen: Europäische Länder können durch solche Abkommen mehr Steuern eintreiben als afrikanische.

Dagegen laufen Entwicklungsländer schon lange Sturm, trotzdem wurde die Aufteilung der Besteuerungsrechte nicht in den internationalen Katalog der Steuerreformen aufgenommen, der von den wichtigsten G20-Ländern und der OECD dominiert wird. Eine erst Ende September erschienene Studie von Martin Hearson untersuchte die Steuerabkommen von EU-Staaten mit Entwicklungsländern. Österreich lag dabei zwar in der Bewertung im Mittelfeld, insgesamt beschneiden aber die mit EU-Ländern abgeschlossenen Abkommen die Besteuerungsrechte von Entwicklungsländern mehr als jene, die Entwicklungsländer untereinander verhandelt haben, so Hearson.

Nationale Steuersysteme stärken helfen

Auch eine bereits im Jahr 2013 vom Wiener Institut für Internationalen Dialog und Entwicklung (VIDC) herausgegebene Untersuchung über die österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen mit 42 Entwicklungsländern kommt zu dem Schluss, dass Österreich die Quellensteuersätze für Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren um fast 4 Prozent zuungunsten dieser Staaten reduziert.

Afrika kann geholfen werden, auch von Österreich. Die österreichische Entwicklungszusammenarbeit könnte nationale Steuersysteme stärken helfen und bereits existierende regionale Netzwerke der Steuerbehörden unterstützen. Gleichzeitig sollte Österreichs Steuerpolitik entwicklungspolitische Zielsetzungen nicht behindern. Eine solche Kohärenz ist im Entwicklungszusammenarbeitsgesetz vorgeschrieben. Das würde nicht nur eine Überprüfung der österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen, sondern eine umfassendere Analyse steuerpolitischer Maßnahmen bedeuten.

Auf EU-Ebene könnte Österreich sich für die Verbesserung der Berichtspflichten für Konzerne (länderweise Berichterstattung) sowie für eine Gesamtkonzernsteuer mit Mindeststeuersätzen einsetzen, damit Gewinne nur noch dort besteuert werden, wo tatsächlich die Wertschöpfung passiert. Ein entsprechender EU-Vorstoß könnte auf internationaler Ebene, und damit ebenfalls für Entwicklungsländer, positive Anreize für Reformen liefern, damit Unternehmenssteuern in Zukunft nicht mehr so einfach künstlich niedrig werden können.

Der Teufelskreis aus zu geringen staatlichen Einnahmen einerseits sowie schwachen Institutionen und schlechten öffentlichen Dienstleistungen andererseits muss durchbrochen werden. Schließlich fließen Investitionen vor allem in jene Länder, die ausgebildete Fachkräfte, eine gute öffentliche Infrastruktur und Rechtssicherheit aufweisen können. Steuerdumping sollte dabei keine Rolle spielen.

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