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In Bayerns Jubiläumsjahr vergeht der CSU das Jubeln

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare
Clemens M. Hutter war Leiter des Auslandsressorts bei den "Salzburger Nachrichten".

Wegen politischen Pannen und Krachs mit Merkel droht ihr die bisher schwerste Wahlniederlage.


Nach dem seit 1810 bestehenden Münchner Oktoberfest feiert Bayern im November das 100-Jahr-Jubiläum der Gründung des "freien Volksstaates Bayern" und den Sturz des Wittelsbacher Königs durch den Sozialisten Kurt Eisner. Doch schonkommendes Wochenende kündigt sich Revolutionäres an: Bei der Landtagswahl dürfte die CSU allen Umfragen zufolge mit 36 Prozent die mit Abstand schwerste Niederlage ihrer Geschichte einfahren.

Der deutsche Bundespräsident Roman Herzog, ein Niederbayer, umschrieb 1998 den Wandel Bayerns vom Agrarstaat zum deutschen Hightech-Standort als "geglückte Symbiose aus Laptop und Lederhose". Das bedeutet Traditionspflege, technische Spitzenleistungen und notfalls Aufmucken gegen die Bundesregierung in Berlin. Folgerichtig entstand daraus eine Dauerspannung des CSU-Chefs Horst Seehofer mit Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Seit der ersten große Fluchtwelle 2015 knirscht es im Hause CDU/CSU.

Im Frühjahr gab Seehofer das Amt des bayerischen Regierungschefs an Markus Söder ab und rückte als Innenminister in Merkels Bundesregierung auf. Diese verlor mit Volker Kauders Abwahl als CDU/CSU-Fraktionschef im Bundestag einen engen Vertrauten in der Fraktion, der sich 13 Jahre lang als Garant für die Durchsetzung ihrer Ideen profiliert hatte. Die Opposition sah darin einen "Aufstand gegen Merkel" durch Parteifreunde. Die Fraktion wählte den Finanzexperten Ralph Brinkhaus zu Kauders Nachfolger. Obschon der "Neue" als durchaus loyal gilt, erregte seine erste Erklärung Spekulationen: Deutschlands Probleme seien "allein mit Ruhe und Stabilität nicht lösbar". Das klang nach Kritik.

Ungleich mehr Wirbel lösten die Massendemos in Chemnitz aus, in deren Folge die SPD den Rücktritt von Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen wegen seiner Aussagen dazu forderte. Seehofer wollte Maaßen als höher besoldeten Staatssekretär im Innenministerium ruhigstellen und stieß damit auf massive Kritik. Also gab er klein bei: Aus Rücksicht auf die Kritik aus der Bevölkerung soll Maaßen im Innenministerium als Sonderberater für internationale Aufgaben zuständig sein. Prompte Quittung in den Umfragen: Absturz um 12 Punkte auf 73 Prozent, Unzufriedenheit mit Seehofers Amtsführung.

Die Berliner Koalition aus CDU/CSU und SPD überwand diese Krise, weil Umfragen allen drei Parteien schwere Niederlagen in Aussicht stellten, falls ein Koalitionsbruch Neuwahlen erzwänge. Doch in Bayern verschärfte der Fall Maaßen den bestehenden Abwärtstrend: CSU 34 Prozent (1974: 62 Prozent) und SPD 11 Prozent (1962: 35 Prozent). Höchstquoten aus dieser Entwicklung zogen die Grünen mit 15 und die rechtspopulistische AfD mit 14 Prozent. Dabei spielten die Boulevardblätter eine wichtige Rolle: Sie bliesen jeden Zwischenfall mit Migranten derart groß auf, dass wichtige Fragen einfach von der bayerischen Bildfläche verschwanden - etwa der Mangel an leistbaren Wohnungen, an Lehrern oder an Pflegepersonal. Wiewohl Umfragen nur Momentaufnahmen sind, dürfte also der CSU im Jubiläumsjahr des "Freistaates Bayern" nicht nach feiern zumute sein.