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Die EU-Regionalpolitik braucht mehr Mut und mehr Vertrauen

Von Martin Heintel

Gastkommentare
Martin Heintel ist Professor am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Stadt- und Regionalentwicklung (Buchtipp: "Grenzen - Theoretische, konzeptionelle und praxisbezogene Fragestellungen zu Grenzen und deren Überschreitungen"). Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Die Halbzeit der laufenden EU-Strukturfondsperiode von 2014 bis 2020 ist abgelaufen - welche Herausforderungen bringt die Periode ab 2020?


Die Gründungsideen und großen Leitlinien der jetzigen Europäischen Union wie Friedenssicherung und Solidarität sind von ihrer Bedeutung aktuell wie eh und je, ebenso wie die Römischen Verträge von 1957. Darin wird die Notwendigkeit festgehalten, "die Volkswirtschaften zu einigen und deren harmonische Entwicklung zu fördern, indem sie den Abstand zwischen einzelnen Gebieten und den Rückstand zwischen einigen weniger begünstigten Gebieten verringern". Mittels Kohäsionspolitik und Transferleistungen in wirtschaftlich benachteiligte Regionen wird versucht, Rückstände zu kompensieren und Entwicklung zu gestalten.

Eine Politik des Ausgleichs steht jedoch auch immer mehr einer europäischen wettbewerbsorientierten Politik gegenüber, die Städte als Knoten der Weltwirtschaft sieht. Auch die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten wird mitunter schwer geprüft. Ländliche Regionen haben es in diesen Widersprüchen nicht immer leicht.

Österreich ist ein geschätzter Partner innerhalb der EU. Es hat traditionell viele Kompetenzen im Bereich der ländlichen Entwicklung und der Regionalentwicklung im Speziellen. Österreich zeichnet sich durch ein gutes Kooperationsklima sehr vieler Akteure aus. Bund, Länder, Gemeinden, die Wirtschaft, intermediäre Dienstleister und Private wirken hier zusammen - um nur einige zu nennen. Dieses Prinzip einer Governance-Steuerung bringt es auch mit sich, dass die Mittelausschöpfung in der Vergangenheit auch immer gut gepasst hat und inhaltlich einzelne Projekte auch immer wieder als regionale Innovationsverstärker punkten konnten.

Jetzt kommt das große Aber: Die errungenen Erfolge einer europäischen Regionalpolitik werden zunehmend durch deren Bürokratisierung konterkariert. Gestaltung steht permanent zunehmender Verwaltung gegenüber, der Aufwand wiederum dem Nutzen. Die Reformagenda wird durch neue Zusatzanforderungen in der laufenden Periode neutralisiert, "Simplification" beziehungsweise "Vereinfachung" zum wachsenden Unwort für ein Europa 2020. Allein in Österreich können sechs Prüfebenen zur Anwendung kommen, der Mehrwert der EU-Projekte wird durch deren Abwicklungskomplexität zunehmend in Frage gestellt.

Auch sind immer weniger potenzielle Begünstigte in der Lage, die Anforderungen zur Projektdurchführung zu erfüllen. Jede Brüsseler Novellierung bedingt eine Kaskadierung, die innerhalb Österreichs noch weiter ausdifferenziert wird. Nicht nur die Leistungsfähigkeit der Behörden stößt schön langsam an ihre Grenzen, auch die Proportionalität von ausgezeichneten leitenden Grundgedanken der EU zu ihrer unmittelbaren Umsetzung gerät in Schieflage.

Diese Gedanken verstehen sich somit nicht als Kritik an der EU im Allgemeinen, sondern als spezifischer Appell, Prozesse in einer Solidargemeinschaft so gestaltbar zu machen, dass der Mehrwert auch in der Bevölkerung verstanden werden kann sowie Begünstigte ihre Projekte auch abrufen können. Mehr Mut (Innovation) und mehr Vertrauen sollten daher zukünftig einem Weniger an Bürokratie und Kontrolle gegenüberstehen.