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Zu Lasten der Passagiere

Von Laura Kauczynski

Gastkommentare

Der Flugsommer 2018 wird nachhaltig in Erinnerung bleiben. Massive Verspätungen und Flugausfälle dominierten den europäischen Luftraum und strapazierten die Nerven der Verbraucher. Allein in Österreich fielen 11.200 von 36.000 Flügen aus oder waren mindestens 15 Minuten verspätet. Noch ein Jahr zuvor hatte es im selben Zeitraum von Juni bis August mit 7700 Verzögerungen oder Ausfälle vergleichsweise wenige Flugprobleme gegeben. Dabei hat sich das Gesamtaufkommen im Jahr 2018 mit knapp 2000 Flügen mehr nicht allzu stark gesteigert. Die Ratlosigkeit über den massiven Anstieg an unplanmäßigen Flugbewegungen ist daher groß.

Die Airline-Manager rechtfertigten die Flugprobleme oft mit einem Mangel an Personal und Maschinen durch das stetig wachsende Interesse an Flugreisen. Ein weiteres Argument sind Streiks von Fluglotsen und Fluglinienpersonal. Gerne führten die Sprecher auch die unberechenbaren Wetterbedingungen an. Doch die Gründe sind vielseitiger. So stehen Passagieren aus Österreich für den Flugsommer 2018 in Summe ganze 40 Millionen Euro an Entschädigungszahlungen zu. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 20 Millionen Euro. Das bedeutet, dass die Airlines immer öfter dafür verantwortlich zu machen sind, dass Passagiere ihr Ziel nicht pünktlich erreicht haben. Denn Entschädigungen müssen die Fluggesellschaften nur auszahlen, wenn sie selbst für die Verzögerung oder den Ausfall verantwortlich sind. Doch woran liegt dieser rasante Anstieg?

Viele hausgemachte Probleme

Die von den Airlines so gerne angeführten Problemstreiks des Personals sind oftmals selbst zu verantworten. Schlechte Arbeitsbedingungen und fehlende Kompromissbereitschaft gegenüber den Gewerkschaften zählen hierbei zu einigen der Gründe. Ein prominentes Beispiel ist die irische Fluggesellschaft Ryanair, die erstmals Ende 2017 - nach 32 Jahren Betriebsgeschichte - mit den Gewerkschaften ihrer Mitarbeiter verhandelte. Ryanair konnte sich jedoch wochenlang mit Gewerkschaften in ganz Europa nicht auf faire Arbeitsbedingungen einigen. In der Folge unterbrachen viele Streiks bis heute den Flugbetrieb der Airline und sorgten für massive Verspätungen und Ausfälle in ganz Europa.

Den geschädigten Fluggästen steht auch dafür eine Entschädigung zu, doch Ryanair weigerte sich, auszuzahlen. Dabei urteilte der Europäische Gerichtshof im April, dass geschädigte Passagiere selbst bei einem unangekündigten Streik des Personals ein Anrecht auf Entschädigung haben, wenn dieser von der Airline zu verantworten ist. Dieses Urteil ist für sämtliche EU-Gerichte bindend, und auch Ryanair ist verpflichtet, dem Folge zu leisten.

Neben den Streiks ist auch der Mangel an Personal und Maschinen zumindest teilweise selbst kreiert. Nach den Pleiten von Air-Berlin und Niki im Vorjahr haben sich einige Airlines im großen Stil die vakant gewordenen Start- und Landerechte an Flughäfen (die sogenannten Slots) gesichert - selbst wenn die nötigen Maschinen samt Besatzung zur Nutzung nicht vorhanden waren. In der Regel kompensieren sie den Mangel an Flugzeugen durch die Nutzung von gebrauchten oder Leasing-Maschinen.

Im Zuge der rasant gestiegenen Nachfrage ist das Angebot aktuell jedoch zu gering und der Bedarf zu hoch. Das hat zur Folge, dass sie Flüge ausfallen lassen und aus Mangel an Maschinen aufeinanderfolgende Verbindungen zusammenlegen. So können die Airlines ihre Start- und Landerechte halten und verlieren ihre wertvollen Slots nicht. Denn belegt eine Airline 80 Prozent ihrer Slots, darf sie diese dank der sogenannten Großvaterregel behalten und muss sie nicht anderen Fluggesellschaften bereitstellen. Fluggäste hingegen sehen sich durch dieses Vorgehen mit gestrichenen Flügen konfrontiert. In der Folge werden sie wider Willen auf andere, meist spätere Flüge umgebucht. Während zwischen den Luftfahrtunternehmen in der EU aktuell also eine Schlacht um Marktmacht und Profitmaximierung geführt wird, bleibt der Verbraucher derweil auf dem Boden.

Marktkampf in Österreich

Dass dieser Marktkampf auch in Österreich stattfindet, zeigte der drohende Rechtsstreit zwischen der Lufthansa und der von Niki Lauda betriebenen Laudamotion. Die beiden Fluggesellschaften stritten jüngst um die Nutzung von neun Flugzeugen aus dem Verbleib der Niki-Insolvenz. Während Laudamotion sich im Zuge der Pleite die Start- und Landerechte der einstigen Air-Berlin-Tochter sichern konnte, hatte die Lufthansa zuvor neun Flugzeuge der Airline übernommen. Diese musste sie laut Vereinbarung bei einer potenziellen Übernahme von Niki jedoch dem neuen Besitzer, der dann Niki Lauda mit seiner Laudamotion wurde, anbieten. In der Folge einigte sich Laudamotion mit der Lufthansa auf einen Leasing-Vertrag, dessen Einhaltung der deutsche Luftfahrtkonzern später anzweifelte.

So stritten die Airlines monatelang unter anderem vor einem Londoner Gericht darüber, ob Laudamotion die fälligen Leasinggebühren fristgerecht gezahlt habe oder nicht. Dieser Streit um neun Maschinen verdeutlicht den Mangel an Flugzeugen einmal mehr - und auch den Machtkampf in Europas Flugbranche. Denn einen Tag vor der Lufthansa-Klage wurde publik, dass Ryanair Laudamotion zu 75 Prozent übernommen hatte. Und Ryanair ist der größte Konkurrenz der Lufthansa-Tochter Eurowings, für die die Lufthansa die neun Maschinen gut gebrauchen hätte können. Letztlich einigten sich die Unternehmen außergerichtlich auf eine Rückgabe der Maschinen, die zwischen 31. Dezember 2018 und 30. Juni 2019 erfolgen soll. Sollte Laudamotion die Lücke bis dahin nicht schließen können, werden wohl erneut die Verbraucher darunter leiden müssen.

Den Passagier wieder beachten

Im heurigen Sommer behinderten die Fluggesellschaften mit ihrer Wettbewerbsschlacht um Slots, Maschinen und Profit demnach die Urlaubspläne von tausenden Passagieren. Statt Sommer und Sonne erwarteten viele Reisende aufgrund von Kosteneinsparungen und Konflikten zwischen den Fluggesellschaften das Gate oder die eigenen vier Wände.

Doch die Rechte von Flugpassagieren sind innerhalb der EU fest geregelt. Ist für Verspätungen oder Ausfälle die Airline verantwortlich zu machen, stehen den Passagieren Entschädigungszahlungen in Höhe von bis zu 600 Euro zu, die Geschädigte in jedem Fall einfordern sollten. Denn die Zahlungen treffen die profitorientierten Fluggesellschaften dort, wo es wehtut, und zwingen sie zum Umdenken. Nur so werden sich die Unternehmen wieder auf das Kerngeschäft ihrer Arbeit konzentrieren: die Kunden.

Die Airlines hatten viele der jüngsten Probleme selbst zu verantworten.

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