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Nationales Interesse? Uninteressant!

Von Christian Ortner

Gastkommentare

Ein ehemaliger ÖVP-Chef illustriert, warum die alte Volkspartei so überschaubar erfolgreich war.


Erhard Busek, der in den frühen 1990ern ÖVP-Chef und Vizekanzler in einer großen Koalition war, gehört zu jenem Typus bürgerlicher Politiker und Intellektueller, denen die Anerkennung oder noch besser der Applaus der politischen Linken ein ganz eigentümliches Bedürfnis zu sein scheint. Besonders erinnerlich aus seiner aktiven Zeit in der Politik ist, wie er einmal an einem Wahlabend im Festzelt der SPÖ die "Internationale" mitgesungen hat, was er wohl irgendwie witzig fand.

Besagter Busek fand es nun dieser Tage für notwendig, sich seinen Unmut über den aktuellen Innenminister von der Seele zu schreiben. "Der Weg der Regierung, aus dem geplanten Migrationspakt der UNO auszusteigen, bringt uns in eine Gesellschaft mit Donald Trump und Viktor Orbán. Wären die Migrationspaktverweigerer eine breite Bewegung, könnte man ja darüber diskutieren. Momentan aber ist es nur eine pointierte Minderheit, von der man nicht sagen kann, dass wir uns da in eine gute Gesellschaft begeben. Hier ist offenkundig Herbert Kickl der Mann, der die Linie bestimmt", schrieb Busek in der "Presse".

Er demonstriert damit vor allem ein sehr eigentümliches Verständnis davon, wie Sachpolitik anzulegen sei. Ganz offenkundig ist der Alt-
Vizekanzler eher ein Anhänger des UNO-Migrationspaktes (Applaus von der Linken!), benennt aber keinerlei inhaltliches Argument für seine Position, sondern führt bloß ins Treffen, dass die Gegner dieses Paktes aus nur einigen wenigen Staaten - noch dazu USA und Ungarn! - bestünden, die Mehrheit dagegen diesen Vertrag befürworte. Nun haben wir uns eigentlich immer gedacht, dass die Republik ihre Position in wichtigen internationalen Angelegenheiten daran orientiert, was im nationalen Interesse Österreichs ist, und nicht bloß opportunistisch, wie viele oder wenige andere Staaten diese Position vertreten. Dazu braucht es nämlich keine Regierung, dazu genügt ein Taschenrechner.

"Wären die Migrationspaktverweigerer eine breite Bewegung, könnte man ja darüber diskutieren" - diese Argumentation, warum Österreich nicht gegen den völlig unnötigen UNO-Migrationspakt stimmen soll, verrät schon einiges über das Politikverständnis Buseks. Und vielleicht auch ein wenig, warum die "alte" Volkspartei, für die der Vizekanzler a.D. durchaus in gewisser Weise sinnbildlich steht, politisch überschaubar erfolgreich war.

Busek erweist seiner Partei aber auch einen schlechten Gefallen, wenn er eigens darauf hinweist, dass "offenkundig Herbert Kickl" beim UNO-Migrationspakt "die Linie bestimmt". Denn es ist stark anzunehmen, dass ein Pakt, der Migration wie jene seit 2015 nach Mitteleuropa "als eine Quelle von Wohlstand, Innovation und nachhaltiger Entwicklung in unserer globalen Welt" bezeichnet, sich gerade bei einer eher bürgerlichen ÖVP-Klientel äußerst überschaubarer Beliebtheit erfreuen dürfte. Und in dieser Situation ausgerechnet dem FPÖ-
Innenminister zuzugestehen, dass er "der Mann ist, der die Linie bestimmt", wird der ÖVP nicht wirklich nützlich sein; anzunehmen ist eher das Gegenteil.

Dass genau das die Absicht des ehemaligen ÖVP-Chefs war, können wir uns aber wirklich nicht vorstellen, ganz sicher nicht.