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Ein weiter Weg in die Top 10

Von Hanno Lorenz

Gastkommentare
Hanno Lorenz ist Ökonom bei der Denkfabrik Agenda Austria und forscht in den Bereichen Außenhandel, Armut und Verteilung, Wirtschaftsstandort und Digitalisierung. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Das gute Mittelfeld im jüngsten Ranking ist als Anspruch für den Wirtschaftsstandort zu wenig.


Österreichs Wirtschaft ist eine der wettbewerbsfähigsten der Welt. Das lässt sich schon daran ablesen, dass mehr als die Hälfte der jährlichen Wertschöpfung Österreichs jenseits der Staatsgrenzen erwirtschaftet wird und verlässlich Leistungsbilanzüberschüsse anfallen. Die Behauptung, der Wirtschaftsstandort Österreich sei "abgesandelt", ist empirisch betrachtet nicht haltbar. Er steht aber sehr wohl unter Druck. Das Land ist in den vergangenen zehn Jahren in allen namhaften Wettbewerbsrankings zurückgefallen.

Zuletzt hat sich das Schweizer World Economic Forum (WEF) im "Competitiveness Report" intensiv mit dem Wirtschaftsstandort beschäftigt. Von 140 untersuchten Ländern liegt Österreich in puncto Wettbewerbsfähigkeit auf Rang 22 - im Vorjahr war es noch Platz 21. Selbst bei brummender Konjunktur konnte kaum Boden gutgemacht werden. Österreich hätte aber eigentlich beste Voraussetzungen für einen Platz in den Top 10. Dieses Ziel sollte sich die Regierung setzen, denn in der Gruppe der zehn besten Standorte finden sich vergleichbar wohlhabende Länder wie Schweden, Dänemark, Niederlande oder Schweiz.

Was wäre also zu tun? Österreich kann von jenen Ländern lernen, die seit Jahren in den Wettbewerbsrankings vor uns liegen. Sie alle haben eines gemeinsam: Reformen. Schweden hat seit der De-facto-Staatspleite in den 1990ern seinen Staatshaushalt saniert, die Pensionen nachhaltig finanzierbar gestaltet und die öffentliche Verwaltung zurechtgestutzt. Die Schweiz hat in den frühen 2000ern eine Schuldenbremse eingezogen und peilt für heuer den vierten Budgetüberschuss in Folge an. Während Österreich das billige Geld für noch höhere Staatsausgaben, oft nach dem Gießkannenprinzip, einsetzte, hat Deutschland nach der Flexibilisierung seines Arbeitsmarktes ebenfalls eine Schuldenbremse eingebaut und die Niedrigzinsphase dazu genutzt, die Kosten zu senken.

Zudem erhält der durchschnittliche Arbeitnehmer in nur wenigen Ländern weniger Netto von seiner Arbeitsleistung als hierzulande;
47 Prozent der Arbeitskosten gehen an den Staat, nur 53 Prozent bleiben den Arbeitnehmern. Abhilfe würde eine Abschaffung der kalten Progression wie in Schweden oder der Schweiz leisten sowie eine Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds und der Wohnbauförderung aus dem allgemeinen Steuertopf.

Reformen, wie zuletzt die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, sind nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil sie zeigen, dass die Politik Probleme erkennt und diese auch zu lösen bereit ist. Genau das schafft in der Bevölkerung Zuversicht. Damit heimische Unternehmen und deren Mitarbeiter auch in Zukunft auf den Weltmärkten den hohen Wohlstand erwirtschaften können, brauchen sie erstklassige Standortbedingungen. Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist nicht über niedrige Löhne zu erreichen, sondern nur über Qualität und Innovation. Voraussetzung dafür sind ein exzellentes Bildungssystem, eine erstklassige Infrastruktur, ein finanzierbarer Sozialstaat, hohe Arbeitsanreize, eine maßvolle Regulierung, eine entsprechende Flexibilität aller Beteiligten sowie möglichst hohe unternehmerische Freiheiten.