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Kassenfusion - ein absolutes No-Go

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Die Kassenreform soll eine Machtverschiebung zu den Arbeitgebern bringen und die Selbstverwaltung aushöhlen.


Die Kampfrufe gegen die Kassenreform sind laut, vor allem von denen, die bisher Posten in der Selbstverwaltung der neun Gebietskrankenkassen besetzen konnten und dies als Erbpachten betrachteten. Denn wer genau schaut, erkennt, dass es eben nur um Posten geht und sonst nichts.

Die Reform bringt neue Abstimmungswege in den neuen deutlich verkleinerten Gremien. Und diese sind in der "Österreichischen Gesundheitskasse" (ÖGK) so gestaltet, dass weder Wirtschafts- noch Arbeiterkammer Oberhand haben, also im Grunde so wie heute. Die Macht der Kammern bleibt erhalten und damit auch die Macht der dominierenden Fraktionen - also Wirtschaftsbund und sozialistische Gewerkschafter.

Genau genommen steigt deren Macht sogar, weil das Einzige, was sich ändert, die Zahl der Funktionäre ist, und damit die kleineren Fraktionen keine Funktionäre mehr entsenden werden können. Die ohnehin schon kaum vorhandene Pluralität in der Selbstverwaltung wird noch geringer.

Selbstverwaltung bedeutet eigentlich, dass wir Versicherte uns - ohne Einmischung der Politik - selbst verwalten. Wir wählen dazu aus unseren Reihen einen Selbstverwaltungskörper. Selbstverwaltung kann es aber nur sein, wenn wir mitbestimmen können, und genau das können wir kaum. Es ist eine lange kritisierte Fehlkonstruktion unserer Selbstverwaltung, dass sie nur eine sehr eingeschränkte Mitsprache erlaubt. Einerseits, weil es keine Möglichkeit gibt, sich eine Versicherung auszusuchen, andererseits, weil die Repräsentanten ausschließlich von Kammern entsendet werden. Jeder Nicht-Erwerbstätige, zum Beispiel ein Pensionist, hat kein Mitspracherecht - gar keines.

Bis in die 80er wurde dieser aufgrund der Demografie noch gar nicht so große Fehler durch eine Unzahl an Funktionären wettgemacht. Dann kam eine Reform, und aus etwa 8000 Funktionären (inklusive Vertretern) wurden 2000 - der erste Schritt in eine Funktionärselite. Die "Selbstverwaltung" verlor Augen und Ohren. Informationen über das Funktionieren der Versorgung kamen immer schwerer ins System. Und da es keine Versorgungsforschung gab, begann ein Blindflug der Funktionäre.

Und jetzt? Jetzt wird deren Zahl weiter auf knapp 500 gesenkt. 370 davon sind für die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), ÖGK, Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS) und Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) zuständig, entsendet aus den Pflichtkammern, denen eine breite demokratische Legitimation fehlt. Sie sind gesetzlich ihren Pflichtmitgliedern, also ihrer Klientel, verpflichtet und sonst niemandem. Nach Abzug der Ausgaben für Fondsspitäler entscheiden diese Funktionäre über die Verteilung von etwa 14 Milliarden Euro. Die öffentliche Hand verwaltet etwa sechs Mal mehr. Die "gerechte" Verteilung wird dabei von 50.000 "Funktionären" in Gemeinde- und Stadträten, in Landtagen, Bundesrat und Nationalrat kontrolliert; das sind 135 Mal mehr Funktionäre.

Es ist menschlich verständlich, wenn die abzubauenden Funktionäre laut jammern und einen Angriff auf die Selbstverwaltung wähnen - durch die Schrumpfung wird wohl der Konkurrenzkampf innerhalb der Funktionärseliten angeheizt; und wer setzt sich dem schon gerne aus. Mit einer Sorge um uns unterworfene Pflichtversicherte hat das wenig zu tun.