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Die EU als Sicherheits- und Verteidigungsunion?

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE).

Die österreichische Bevölkerung muss davon noch überzeugt werden.


Deutschland drängt auf die Etablierung eines neuen EU-Sicherheitsrats, um mit Mehrheitsbeschlüssen rascher auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können und damit Bewegung in die bisher wenig dynamische, streng zwischenstaatlich organisierte europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu bringen. Die Einstimmigkeit bei der Entscheidungsfindung wird auch in diesem Bereich als einer der Hauptgründe gesehen, weswegen eine gemeinsame Verteidigungsunion bis dato nur in Ansätzen verwirklicht werden konnte.

Mit der Gründung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit wurde Ende 2017 allerdings sehr wohl ein Schritt in diese Richtung gesetzt. 25 EU-Mitgliedstaaten verpflichten sich, in der Verteidigungspolitik noch enger zusammenzuarbeiten und unter anderem auch ihre Verteidigungshaushalte regelmäßig zu erhöhen.

Österreich nimmt ohne Vorbehalte sowohl an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik als auch an der neuen Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit teil. Im Vergleich zu den meisten anderen EU-Partnern hält sich der Jubel darüber hierzulande jedoch in Grenzen. Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird zwar von einer knappen Mehrheit der österreichischen Bevölkerung gutgeheißen, die Zustimmung liegt allerdings seit 2015 signifikant unter dem europäischen Durchschnitt. Laut Standard-Eurobarometerumfrage vom Frühling 2018 befürworten diese im EU-28-Durchschnitt 75 Prozent der Befragten - in Österreich sind es nur 57 Prozent. Darüber hinaus gehört Österreich zu jenen Ländern, in denen die Schaffung einer EU-Armee mehrheitlich abgelehnt wird.

Einer der Gründe für diese Zurückhaltung könnte in der nach wie hohen Bedeutung der österreichischen Neutralität für das nationale Selbstverständnis liegen. Diesen Schluss legt der Vergleich Österreichs mit Finnland, Schweden und Irland nahe. Auch in diesen neutralen beziehungsweise bündnisfreien EU-Staaten liegt die Zustimmung zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik seit 2015 signifikant unter und die Ablehnung über dem EU-28-Durchschnitt. Und sie zählen zu jenen EU-Mitgliedern, in denen sich lediglich eine Minderheit für den Aufbau einer eigenen EU-Armee ausspricht.

Die relative Skepsis gegenüber einer gemeinsamen Verteidigungspolitik steht durchaus im Widerspruch zu den in der österreichischen Sicherheitsstrategie festgelegten Zielen. Darin verpflichtet sich das Land, im Rahmen seiner Kapazitäten an allen Arten von sicherheits- und verteidigungspolitischen Aktivitäten teilzunehmen und sich aktiv an deren Weiterentwicklung zu beteiligen.

Es ist daher auch fraglich, ob die Bevölkerung die Teilnahme unseres Landes an der vor kurzem ins Leben gerufenen Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit überhaupt gutheißt. Egal ob diese Skepsis nun berechtigt ist oder es an Wissen und Information mangelt: Eine breite öffentliche Debatte über die Bedeutung einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion, ihre Vor- und Nachteile sowie mögliche Auswirkungen auf die österreichische Neutralität wäre mehr als notwendig.