
Quasimodo ist jetzt also obdachlos. Ach so, nein. Die beiden Glockentürme stehen ja noch. Das Dach ist allerdings futsch. Und dem trauert anscheinend die ganze Welt nach. Selbst in Japan hat man an jeder Ecke Kleenex-Boxen aufgestellt. Tschuldigung: Spendenboxen.
Okay, hätte schlimmer sein können. Genau. Sie hätten den Dachboden vom Louvre renovieren können. Jede Menge Brennholz in dem Museum. Die Mona Lisa zum Beispiel. Die ist bekanntlich auf ein Brettl gemalt. Und Ölbilder brennen sowieso super. Trotzdem: Dass es die Kathedrale Notre Dame erwischt hat, ist tragisch genug. Fünf Minuten lang hat die Pummerin geläutet wegen ihr, überall zünden die Menschen Kerzerln für sie an (ist das nicht ein bissl unsensibel, weil: Feuer, hallo?), der ORF startet eine neue "Nachbar in Not"-Aktion (oder Nachbar-in in Not? - Dame, die!), wir alle werden ab sofort schon zum Frühstück Moet-Schampus trinken, uns endlich dieses Parfum aus der Werbung ("J’adore - Dior") kaufen (und mindestens eine Louis-Vuitton-Tasche) und uns die Haare nur noch mit L’Oreal-Shampoo waschen, damit sich diese Luxuskonzerne ihre großzügigen Spenden für den Wiederaufbau auch sicher leisten können, die Gelbwesten fackeln ihre gelben Westen ab (und stellen die Videos auf YouTube), und manches davon ist erschreckenderweise sogar wahr. Warum sollten die Gelbwesten denn ihre Westen . . .? Weil sie einfach einsehen müssen, dass grad nicht der richtige Zeitpunkt ist für "die Politik und ihre Tumulte" (Emanuel Macron) und die Reparatur des Daches eines über 850 Jahre alten Gebäudes, in dem ohnedies keiner wohnt, eben Vorrang hat vor mehr sozialer Gerechtigkeit und Steuersenkungen für jene, die nimmer wissen, wie sie ihre Miete zahlen sollen. Außerdem hat der Präsident ihnen versprochen, dass . . . eh alles besser wird? Nicht besser. Schöner! Und eigentlich nicht alles. Lediglich Notre Dame. "Noch schöner" als vorher wird die Kirche in fünf Jahren angeblich sein. Wie das? Werden Kosmetikerinnen die Steinfiguren mit L’Oreal-Make-up-Produkten schminken?
Die brennendste Frage (ups, schlechte Wortwahl) ist freilich: Wie konnte das überhaupt passieren? (Das mit dem Flammeninferno.) Na ja, Quasimodo ist mit einer brennenden Zigarette eingeschlafen, als er den "Glöckner von Notre Dame" gelesen hat (und dieser 688-Seiten-Schmöker war halt ein ausgezeichneter Fidibus) - so ist es jedenfalls nicht abgelaufen.
Ich bin wirklich keine Verschwörungstheoretikerin, aber: Amazon war’s. Nein, der Onlinehändler war’s natürlich nicht. (Wieso "natürlich"?) Obwohl die Leute noch während der Löscharbeiten angefangen haben sollen, fleißig den "Glöckner von Notre Dame" zu bestellen, bis dieses verstaubte Buch plötzlich ein Bestseller war. He, hat nicht vor ein paar Wochen das Donauzentrum gebrannt? Das kommt mir inzwischen ziemlich verdächtig vor. Was? Übers Donauzentrum hat jemand einen Roman geschrieben? "Der Nachtwächter vom Donauzentrum" oder so? Und der war vor dem "Glöckner" der Bestseller? Kaum. Doch das größte Einkaufszentrum Wiens musste immerhin zusperren. Einen kompletten Tag. Und wo werden die frustrierten Kunden, die in die analogen Offline-Geschäfte nicht reinkonnten, dann wohl in ihrer Not geshoppt haben? Ich will ja echt keinem was unterstellen, aber . . .