Irene Prugger, geboren 1959, lebt als Schriftstellerin und freie Journalistin in Mieming, Tirol.
Irene Prugger, geboren 1959, lebt als Schriftstellerin und freie Journalistin in Mieming, Tirol.

Ein Virus geht um. Ein Virus, das die davon befallenen Menschen unkontrolliert reimen lässt. Lebensgefährlich ist es zum Glück nicht, zumindest wurde bis jetzt nichts Dementsprechendes verlautbart. Es nützt auch nichts, diese Leute in Quarantäne zu stecken, sie sind ja bereits in Quarantäne, und das wilde Reimen ist vermutlich Anzeichen eines leichten Lagerkollers. Bei schwerem Lagerkoller reimt sich nichts mehr zusammen, da kann nicht einmal die Internet-Reimmaschine helfen, wo sich auf Quarantäne u.a. Sägespäne, Stirnvene, Zapfhähne oder Wutträne reimt.

Ein unbedachter Klick, und schon hat man unausgegorene Anlass-Dichtung auf dem Handy oder Computer: "Geht es aus, das Lebenslicht - war es Corona oder halt auch nicht." - "Grenzen dicht, Regale leer, willkommen in der DDR!" - "Ach wär’ das Rentnerleben fein, könnt’ man ohne Keime sein. Nicht umlagert von des Todes Viren, würd’ ich in die Glotze stieren ...".

Die nicht unoriginelle Neu-Fassung der "Erlkönig"-Ballade hat auch schnell die Runde gemacht: "Wer hamstert so spät bei Nacht und Wind, es ist der Österreicher, der wieder spinnt. Er hat die Nudeln wohl in dem Arm, und Klopapier für seinen Darm. Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? Siehst Vater, du, denn die Nachrichten nicht? Die Pandemie von Corona, sie naht. Mein Sohn, Hygiene dich bewahrt. Mein Vater, mein Vater, doch hörest du nicht, wie die Grundversorgung zusammenbricht? Sei ruhig, bleib ruhig mein Sohn. Es reicht die Seife zur Desinfektion. Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort? Mehl und auch Nudeln, sind längst schon fort. Mein Sohn, mein Sohn, bedenke, wir geh’n nicht gleich für Jahrzehnte in die Quarantän’. Bleib ruhig, bleib besonnen mein Kind, wenn wir beim Händewaschen sorgsam sind, dann leiden wir alle auch keine Not. Drum horte nicht Klopapier wie ein Idiot."

Reim und Rhythmus, so heißt es, heben die Stimmung. Allerdings bekommt man heftige Atemnot, wenn man folgende Zeilen liest: "Trotzdem muss man sich natürlich schützen, aber Panik wird uns nix nützen. Deshalb passt auf euch auf und lasst sonst Euerem Leben freien lauf!" (sic). Evelyn Burdecki, Ex-Dschungelkönigin, schreibt diese Zeilen ihren Followern auf Instagram. Da heißt es zu einem lyrischen Gegenmittel greifen. Zuhause sind die Regale ja noch nicht leer, zumindest nicht die Bücherregale. Das "Corona"-Gedicht von Paul Celan ist wahrscheinlich eine zu fordernde Lektüre für Quarantänegeschädigte. Außerdem passt es nicht ins sprießende Frühjahr: "Aus der Hand frisst der Herbst mir sein Blatt ..."

Man braucht etwas leichter Verdauliches in diesen Zeiten. Am besten, man entscheidet sich für Doktor Erich Kästners "Lyrische Hausapotheke" - ein "Nachschlagewerk zur Behandlung des durchschnittlichen Innenlebens", Gedichte für den Hausbedarf der Leser, welche die "trostlose Einsamkeit des möblierten Zimmers quälen" mag.