
Im Discounter-Katalog stoße ich auf ein unwiderstehliches Angebot: 144 Rollen Toilettenpapier werden im Aktionspack mit einem 24-teiligen Essbesteck angeboten. Die etwas vulgäre Kombination verweist anschaulich darauf, dass man in Krisenzeiten auf das Wesentliche zurückgeworfen wird. Das Angebot kommt leider zu spät, es mangelt weder an Essbesteck und auch nicht mehr an Toilettenpapier. Germ ist allerdings schon wochenlang vergriffen, mein letztes kostbares Päckchen habe ich für den Osterstriezel verwendet.
Atemschutzmasken und Mundschutztücher wären auch gefragt, aber solche sind im Katalog leider nicht zu finden. Glücklich in diesen Tagen, wer eine Schneiderin kennt, die sich darauf versteht, das unverzichtbare Accessoire der Corona-Gesellschaft anzufertigen, vielleicht noch mit einem Ornament der Verhübschung und aus attraktivem Stoff genäht. Obwohl - diesbezüglich sind der Kreativität und dem guten Geschmack Grenzen gesetzt, daran vermag auch die mittlerweile im Straßenbild gesichtete Vielfalt nichts zu ändern.
Neben dem Sparmodell vom Supermarkt, das im Designwert einer Krankenkassenbrille entspricht, sieht man mittlerweile auch maßgeschneiderte elegante Modelle, passend zu Hemden und Blusen. Es gibt futuristisch anmutende und abstoßend martialische Prototypen. Dermaßen ausgestattet, kommt einem gewiss niemand zu nahe. Ich habe sogar eine genähte Schutzmaske mit einer Mundöffnung für die Zigarette gesehen, dem Zweck der Gesundheitsvorsorge widersetzt diese sich gleich in doppelter Hinsicht.
Luxusmarken wie Prada produzieren nun auch Mundschutzmasken und Arztmäntel; für die modischen Modelle mit dem Markenlogo wird man vermutlich tief in die Tasche greifen müssen. Billiger gehts auch: Was den Schutzfaktor betrifft, haben medizinische Tests ergeben, dass bei improvisiertem Mundschutz Staubsaugerbeutel in der Verlässlichkeitsskala ganz oben rangieren. Der absolute Verkaufshit soll ein Mundschutz mit dem eigenen aufgedruckten Konterfei sein. Damit man sieht, wer unter der Maske steckt.
Aber alle Masken können nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit das Lächeln aus der Öffentlichkeit verschwunden ist. Es wurde mir zum ersten Mal bewusst, als mir die freundliche Verkäuferin im Einkaufsmarkt einfach nur zunickte und ich nicht sehen konnte, ob sie mein Lächeln, das wiederum sie nicht sehen konnte, erwiderte.
Verunsichert war ich auch, als ich mit dem Mundschutz eine Bank betrat. Die Bankbeamtin, geschützt hinter einer Plexiglasscheibe und deshalb maskenlos, war offensichtlich weniger irritiert als ich und rechnete nicht bei jedem Kunden mit einem Überfall. Da die Spiegelneuronen ihr Potential nicht ausschöpfen können, sind Missverständnisse bei Maskenträgern vorprogrammiert. Als mir ein Bekannter bei zwei Metern Abstand eine dumme Verschwörungstheorie zur Krise zuraunte, zog er dazu eine Miene. Fragt sich nur, welche.