Irene Prugger, geboren 1959, lebt als Autorin und freie Journalistin in Mieming, Tirol.
Irene Prugger, geboren 1959, lebt als Autorin und freie Journalistin in Mieming, Tirol.

"No risk, no fun" - danach sah es aus, als ich an einem Teich Entenküken beobachtete. Sie sprangen wagemutig von einem großen Stein ins Wasser, flugs der Entenmutter nach und schwammen eine vergnügliche Runde. Aber nicht alle in der Gruppe von zehn Küken waren so couragiert.

Es gab auch jene, die sich nicht wild ins Abenteuer stürzten, sondern anscheinend vorher überlegten, was sie da machten oder machen sollten: Sie blickten über den Stein, bevor sie sprangen. Was zur Folge hatte, dass sie zuerst einmal gar nicht sprangen. Der Abgrund erschien viel zu tief. Also stellten sie sich in der Reihe lieber nochmals hinten an, bis sie sich endlich doch überwanden, nachdem ja die Brüderlein und Schwesterlein es vormachten und heil aus dem Wasser kamen.

Risikoabschätzung nennt man das im Menschenreich. Wobei wir es schwerer haben als Tiere, weil wir nicht artengemäß instinktiv agieren, sondern individuell für unsere Person abschätzen müssen, was uns guttut und was wir schaffen können. Einfach blind der Masse hinterherzuspringen, bewährt sich dabei selten. Der Begriff Draufgänger kommt ja nicht zufällig von "draufgehen". Und doch muss man manches wagen, bevor man handlungsunfähig wird. Es gilt, einen Mittelweg zu finden zwischen unüberlegter Tollkühnheit und ergebnislosem Zaudern.

"Mut aus Sicherheit", nennt der österreichische Genetiker Markus Hengstschläger das in seinem neuen Buch, "Die Lösungsbegabung", worin er Vorschläge skizziert, wie wir unsere Problemlösungskompetenzen für die Herausforderungen unserer Zeit aktivieren können. Neben all den Krisen, die uns in den Fängen haben, ortet er nämlich auch eine "Mitmachkrise". Er teilt die Gesellschaft in die blauäugigen Optimisten, die eingefleischten Pessimisten und die "Possibilisten" ein. Die ersten beiden halten sich meistens heraus, Letztere wollen sich bei einer Lösung einbringen und können diese zum Teil auch ermöglichen. Den damit verbundenen Appell, eingetretene Pfade zu verlassen, kreativ zu sein und sich Neues zuzutrauen, kennen wir zwar aus vielen Lebenshilfebüchern, aber eine weitere Ermutigung kann in solchen Zeiten nicht schaden.

In den nächsten 100 Jahren wird es nämlich prekär für die Menschheit; während dieser Spanne beträgt das existenzielle Risiko 1:6, weil sich Krisenzustände, wie wir sie zurzeit erleben, nicht lange durchhalten lassen. Zu dieser Einschätzung gelangt zumindest der australische Ethiker und Philosoph Toby Ord in seinem neuen Buch, "The Precipice - Existential Risk and the Future of Humanity". Einen Trost hat er parat: Auf lange Sicht werde die Menschheit trotz natürlicher und selbst gemachter Krisen überleben und vermutlich ihr kosmisches Potenzial entfalten.

Diese Aussicht sollte als Motivation genügen, unsere Lösungskompetenzen ein bisschen schneller anzukurbeln. Gebt alle euer Bestes, die nächsten 100 Jahre müssen wir in den Griff kriegen, dann geht es voraussichtlich aufwärts!